Johann Wolfgang Goethe. Egmont Ein Trauerspiel in fÃ?nf AufzÃ?gen -------------------------------------------------------------------------------- Personen: Margarete von Parma, Tochter Karls des FÃ?nften, Regentin der Niederlande Graf Egmont, Prinz von Gaure Wilhelm von Oranien Herzog von Alba Ferdinand, sein natÃ?rlicher Sohn Machiavell, im Dienste der Regentin Richard, Egmonts Geheimschreiber Silva und Gomez, unter Alba dienend KlÃ?rchen, Egmonts Geliebte Ihre Mutter Brackenburg, ein BÃ?rgerssohn Soest, KrÃ?mer, BÃ?rger von BrÃ?ssel Jetter, Schneider, BÃ?rger von BrÃ?ssel Zimmermann und Seifensieder, BÃ?rger von BrÃ?ssel Buyck, Soldat unter Egmont Ruysum, Invalide und taub Vansen, ein Schreiber Volk, Gefolge, Wachen usw. -------------------------------------------------------------------------------- Erster Aufzug ArmbrustschieÃ?en Soldaten und BÃ?rger mit ArmbrÃ?sten Jetter, BÃ?rger von BrÃ?ssel, Schneider, tritt vor und spannt die Armbrust. Soest, BÃ?rger von BrÃ?ssel, KrÃ?mer. Soest. Nun schieÃ?t nur hin, daÃ? es alle wird! Ihr nehmt mir's doch nicht! Drei Ringe schwarz, die habt Ihr Eure Tage nicht geschossen. Und so wÃ?r' ich fÃ?r dies Jahr Meister. Jetter. Meister und KÃnig dazu. Wer miÃ?gÃnnt's Euch? Ihr sollt dafÃ?r auch die Zeche doppelt bezahlen; Ihr sollt Eure Geschicklichkeit bezahlen, wie's 'recht ist. (Buyck, ein HollÃ?nder, Soldat unter Egmont.) Buyck. Jetter, den SchuÃ? handl' ich Euch ab, teile den Gewinst, traktiere die Herren: ich bin so schon lange hier und fÃ?r viele HÃflichkeit Schuldner. Fehl ich, so ist's, als wenn Ihr geschossen hÃ?ttet. - Soest. Ich sollte dreinreden: denn eigentlich verlier ich dabei. Doch, Buyck, nur immerhin. Buyck (schieÃ?t). Nun, Pritschmeister, Reverenz! - Eins! Zwei! Drei! Vier! Soest. Vier Ringe? Es sei! Alle. Vivat, Herr KÃnig, hoch! und abermal hoch! Buyck. Danke, ihr Herren. WÃ?re Meister zu viel! Danke fÃ?r die Ehre. Jetter. Die habt Ihr Euch selbst zu danken. (Ruysum, ein FrieslÃ?nder, Invalide und taub.) Ruysum. DaÃ? ich euch sage! Soest. Wie ist's, Alter? Ruysum. DaÃ? ich euch sage! - Er schieÃ?t wie sein Herr, er schieÃ?t wie Egmont. Buyck. Gegen ihn bin ich nur ein armer Schlucker. Mit der BÃ?chse trifft er erst, wie keiner in der Welt. Nicht etwa, wenn er GlÃ?ck oder gute Laune hat; nein! wie er anlegt, immer rein schwarz geschossen. Gelernt habe ich von ihm. Das wÃ?re auch ein Kerl, der bei ihm diente und nichts von ihm lernte. - Nicht zu vergessen, meine Herren! Ein KÃnig nÃ?hrt seine Leute; und so, auf des KÃnigs Rechnung, Wein her! Jetter. Es ist unter uns ausgemacht, daÃ? jeder - Buyck. Ich bin fremd und KÃnig, und achte eure Gesetze und Herkommen nicht. Jetter. Du bist ja Ã?rger als der Spanier; der hat sie uns doch bisher lassen mÃ?ssen. Ruysum. Was? Soest (laut). Er will uns gastieren; er will nicht haben, daÃ? wir zusammenlegen und der KÃnig nur das Doppelte zahlt. Ruysum. LaÃ?t ihn! doch ohne PrÃ?judiz! Das ist auch seines Herrn Art, splendid zu sein und es laufen zu lassen, wo es gedeiht. (Sie bringen Wein.) Alle. Ihro MajestÃ?t Wohl! Hoch! Jetter (zu Buyck). Versteht sich: Eure MajestÃ?t. Buyck. Danke von Herzen, wenn's doch so sein soll. Soest. Wohl! Denn unserer spanischen MajestÃ?t Gesundheit trinkt nicht leicht ein NiederlÃ?nder von Herzen. Ruysum. Wer? Soest (laut). Philipps des Zweiten, KÃnigs in Spanien. Ruysum. Unser allergnÃ?digster KÃnig und Herr! Gott geb' ihm langes Leben. Soest. Hattet Ihr seinen Herrn Vater, Karl den FÃ?nften, nicht lieber? Ruysum. Gott trÃst' ihn! Das war ein Herr! Er hatte die Hand Ã?ber den ganzen Erdboden und war euch alles in allem; und wenn er euch begegnete, so grÃ?Ã?t' er euch wie ein Nachbar den andern; und wenn ihr erschrocken wart, wuÃ?t' er mit so guter Manier - ja, versteht mich - Er ging aus, ritt aus, wie's ihm einkam, gar mit wenig Leuten. Haben wir doch alle geweint, wie er seinem Sohn das Regiment hier abtrat - sagt' ich, versteht mich - der ist schon anders, der ist majestÃ?tischer. Jetter. Er lieÃ? sich nicht sehen, da er hier war, als in Prunk und kÃniglichem Staate. Er spricht wenig, sagen die Leute. Soest. Es ist kein Herr fÃ?r uns NiederlÃ?nder. Unsre FÃ?rsten mÃ?ssen froh und frei sein wie wir, leben und leben lassen. Wir wollen nicht verachtet noch gedruckt sein, so gutherzige Narren wir auch sind. Jetter. Der KÃnig, denk ich, wÃ?re wohl ein gnÃ?diger Herr, wenn er nur bessere Ratgeber hÃ?tte. Soest. Nein, nein! Er hat kein GemÃ?t gegen uns NiederlÃ?nder, sein Herz ist dem Volke nicht geneigt, er liebt uns nicht; wie kÃnnen wir ihn wiederlieben? Warum ist alle Welt dem Grafen Egmont so hold? Warum trÃ?gen wir ihn alle auf den HÃ?nden? Weil man ihm ansieht, daÃ? er uns wohlwill; weil ihm die FrÃhlichkeit, das freie Leben, die gute Meinung aus den Augen sieht; weil er nichts besitzt, das er dem DÃ?rftigen nicht mitteilte, auch dem, der's nicht bedarf. LaÃ?t den Grafen Egmont leben! Buyck, an Euch ist's, die erste Gesundheit zu bringen! Bringt Eures Herrn Gesundheit aus. Buyck. Von ganzer Seele denn: Graf Egmont hoch! Ruysum. Ã?berwinder bei St. Quintin. Buyck. Dem Helden von Gravelingen! Alle. Hoch! Ruysum. St. Quintin war meine letzte Schlacht. ich konnte kaum mehr fort, kaum die schwere BÃ?chse mehr schleppen. Hab ich doch den Franzosen noch eins auf den Pelz gebrennt, und da kriegt' ich zum Abschied noch einen StreifschuÃ? ans rechte Bein. Buyck. Gravelingen! Freunde! da ging's frisch! Den Sieg haben wir allein. Brannten und sengten die welschen Hunde nicht durch ganz Flandern? Aber ich mein, wir trafen sie! Ihre alten, handfesten Kerle hielten lange wider, und wir drÃ?ngten und schossen und hieben, daÃ? sie die MÃ?uler verzerrten und ihre Linien zuckten. Da ward Egmont das Pferd unter dem Leibe niedergeschossen, und wir stritten lange hinÃ?ber herÃ?ber, Mann fÃ?r Mann, Pferd gegen Pferd, Haufe mit Haufe, auf dem breiten flachen Sand an der See hin. Auf einmal kam's, wie vom Himmel herunter, von der MÃ?ndung des Flusses, bav, bau! immer mit Kanonen in die Franzosen drein. Es waren EnglÃ?nder, die unter dem Admiral Malin von ungefÃ?hr von DÃ?nkirchen her vorbeifuhren. Zwar viel halfen sie uns nicht; sie konnten nur mit den kleinsten Schiffen herbei, und das nicht nah genug; schossen auch wohl unter uns - Es tat doch gut! Es brach die Welschen und hob unsern Mut. Da ging's! Rick! rack! herÃ?ber, hinÃ?ber! Alles totgeschlagen, alles ins Wasser gesprengt. Und die Kerle ersoffen, wie sie das Wasser schmeckten; und was wir HollÃ?nder waren, gerad hintendrein. Uns, die wir beidlebig sind, ward erst wohl im Wasser wie den FrÃschen; und immer die Feinde im FluÃ? zusammengehauen, weggeschossen wie die Enten. Was nun noch durchbrach, schlugen euch auf der Flucht die Bauerweiber mit Hacken und Mistgabeln tot. MuÃ?te doch die welsche MajestÃ?t gleich das PfÃtchen reichen und Friede machen. Und den Frieden seid ihr uns schuldig, dem groÃ?en Egmont schuldig. Alle. Hoch! dem groÃ?en Egmont hoch! und abermal hoch! und abermal hoch! Jetter. HÃ?tte man uns den statt der Margrete von Parma zum Regenten gesetzt! Soest. Nicht so! Wahr bleibt wahr! Ich lasse mir Margareten nicht schelten. Nun ist's an mir. Es lebe unsre gnÃ?d'ge Frau! Alle. Sie lebe! Soest. Wahrlich, treffliche Weiber sind in dem Hause. Die Regentin lebe! Jetter. Klug ist sie, und mÃ?Ã?ig in allem, was sie tut; hielte sie's nur nicht so steif und fest mit den Pfaffen. Sie ist doch auch mit, schuld, daÃ? wir die vierzehn neuen BischofsmÃ?tzen im Lande haben. Wozu die nur sollen? Nicht wahr, daÃ? man Fremde in die guten Stellen einschieben kann, wo sonst Ã'bte aus den Kapiteln gewÃ?hlt wurden? Und wir sollen glauben, es sei um der Religion willen. Ja, es hat sich. An drei BischÃfen hatten wir genug: da ging's ehrlich und ordentlich zu. Nun muÃ? doch auch jeder tun, als ob er nÃtig wÃ?re; und da setzt's allen Augenblick VerdruÃ? und HÃ?ndel. Und je mehr ihr das Ding rÃ?ttelt und schÃ?ttelt, desto trÃ?ber wird's. (Sie trinken.) Soest. Das war nun des KÃnigs Wille; sie kann nichts davon- noch dazutun. Jetter. Da sollen wir nun die neuen Psalmen nicht singen. Sie sind wahrlich gar schÃn in Reimen gesetzt und haben recht erbauliche Weisen. Die sollen wir nicht singen, aber Schelmenlieder, so viel wir wollen. Und warum? Es seien Ketzereien drin, sagen sie, und Sachen, Gott weiÃ?. Ich hab ihrer doch auch gesungen; es ist jetzt was Neues, ich hab nichts drin gesehen. Buyck. Ich wollte sie fragen! In unsrer Provinz singen wir, was wir wollen. Das macht, daÃ? Graf Egmont unser Statthalter ist; der fragt nach so etwas nicht. - In Gent, Ypern, durch ganz Flandern singt sie, wer Belieben hat. (Laut.) Es ist ja wohl nichts unschuldiger als ein geistlich Lied? Nicht wahr, Vater? Ruysum. Ei wohl! Es ist ja ein Gottesdienst, eine Erbauung. Jetter. Sie sagen aber, es sei nicht auf die rechte Art, nicht auf ihre Art; und gefÃ?hrlich ist's doch immer, da lÃ?Ã?t man's lieber sein. Die Inquisitionsdiener schleichen herum und passen auf; mancher ehrliche Mann ist schon unglÃ?cklich geworden. Der Gewissenszwang fehlte noch! Da ich nicht tun darf, was ich mÃchte, kÃnnen sie mich doch denken und singen lassen, was ich will. Soest. Die Inquisition kommt nicht auf. Wir sind nicht gemacht, wie die Spanier, unser Gewissen tyrannisieren zu lassen. Und der Adel muÃ? auch beizeiten suchen, ihr die FlÃ?gel zu beschneiden. Jetter. Es ist sehr fatal. Wenn's den lieben Leuten einfÃ?llt, in mein Haus zu stÃ?rmen, und ich sitz an meiner Arbeit und summe just einen franzÃsischen Psalm und denke nichts dabei, weder Gutes noch BÃses; ich summe ihn aber, weil er mir in der Kehle ist: gleich bin ich ein Ketzer und werde eingesteckt. Oder ich gehe Ã?ber Land und bleibe bei einem Haufen Volks stehen, das einem neuen Prediger zuhÃrt, einem von denen, die aus Deutschland gekommen sind: auf der Stelle heiÃ? ich ein Rebell und komme in Gefahr, meinen Kopf zu verlieren. Habt ihr je einen predigen hÃren? Soest. Wackre Leute. Neulich hÃrt' ich einen auf dem Felde vor tausend und tausend Menschen sprechen. Das war ein ander GekÃch, als wenn unsre auf der Kanzel herumtrommeln und die Leute mit lateinischen Brocken erwÃ?rgen. Der sprach von der Leber weg; sagte, wie sie uns bisher hÃ?tten bei der Nase herumgefÃ?hrt, uns in der Dummheit erhalten, und wie wir mehr Erleuchtung haben kÃnnten. - Und das bewies er euch alles aus der Bibel. Jetter. Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt's immer selbst und grÃ?belte so Ã?ber die Sache nach. Mir ist's lang im Kopf herumgegangen. Buyck. Es lÃ?uft ihnen auch alles Volk nach. Soest. Das glaub ich, wo man was Gutes hÃren kann und was Neues. Jetter. Und was ist's denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise. Buyck. Frisch, ihr Herren! Ã?ber dem SchwÃ?tzen vergeÃ?t ihr den Wein und Oranien. Jetter. Den nicht zu vergessen. Das ist ein rechter Wall: wenn man nur an ihn denkt, meint man gleich, man kÃnne sich hinter ihn verstecken und der Teufel brÃ?chte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien, hoch! Alle. Hoch! hoch! Soest. Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit. Ruysum. Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg! Buyck. Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg! Jetter. Krieg! Krieg! WiÃ?t ihr auch, was ihr ruft? DaÃ? es euch leicht vom Munde geht, ist wohl natÃ?rlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hÃren; und nichts zu hÃren, als wie da ein Haufen gezogen kommt und dort ein andrer, wie sie Ã?ber einen HÃ?gel kamen und bei einer MÃ?hle hielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort, und wie sie sich drÃ?ngen, und einer gewinnt, der andere verliert, ohne daÃ? man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die BÃ?rger ermordet werden, und wie's den armen Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst, man denkt jeden Augenblick: Â'Da kommen sie! Es geht uns auch so.Â' Soest. Drum muÃ? auch ein BÃ?rger immer in Waffen geÃ?bt sein. Jetter. Ja, es Ã?bt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hÃr ich noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe. Buyck. Das sollt' ich Ã?belnehmen. Jetter. Auf Euch ist's nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem. Soest. Gelt! die lagen dir am schwersten auf? Jetter. Vexier' Er sich. Soest. Die hatten scharfe Einquartierung bei dir. Jetter. Halt dein Maul. Soest. Sie hatten ihn vertrieben aus der KÃ?che, dem Keller, der Stube - dem Bette. (Sie lachen.) Jetter. Du bist ein Tropf. Buyck. Friede, ihr Herren! MuÃ? der Soldat Friede rufen? - Nun da ihr von uns nichts hÃren wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine bÃ?rgerliche Gesundheit. Jetter. Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe! Soest. Ordnung und Freiheit! Buyck. Brav! das sind auch wir zufrieden. (Sie stoÃ?en an und wiederholen frÃhlich die Worte, doch so, daÃ? jeder ein anders ausruft und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und fÃ?llt endlich auch mit ein.) Alle. Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit! Palast der Regentin Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente. Regentin. Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten. Sagt Machiavellen, er soll zu mir kommen. (Alle gehen ab.) Der Gedanke an diese schrecklichen Begebenheiten lÃ?Ã?t mir keine Ruhe! Nichts kann mich ergetzen, nichts mich zerstreuen; immer sind diese Bilder, diese Sorgen vor mir. Nun wird der KÃnig sagen, dies sei'n die Folgen meiner GÃ?te, meiner Nachsicht; und doch sagt mir mein Gewissen jeden Augenblick, das RÃ?tlichste, das Beste getan zu haben. Sollte ich frÃ?her mit dem Sturme des Grimmes diese Flammen anfachen und umhertreiben? Ich hoffte sie zu umstellen, sie in sich selbst zu verschÃ?tten. Ja, was ich mir selbst sage, was ich wohl weiÃ?, entschuldigt mich vor mir selbst; aber wie wird es mein Bruder aufnehmen? Denn, ist es zu leugnen? Der Ã?bermut der fremden Lehrer hat sich tÃ?glich erhÃht; sie haben unser Heiligtum gelÃ?stert, die stumpfen Sinne des PÃbels zerrÃ?ttet und den Schwindelgeist unter sie gebannt. Unreine Geister haben sich unter die AufrÃ?hrer gemischt, und schreckliche Taten sind geschehen, die zu denken schauderhaft ist, und die ich nun einzeln nach Hofe zu berichten habe, schnell und einzeln, damit mir der allgemeine Ruf nicht zuvorkomme, damit der KÃnig nicht denke, man wolle noch mehr verheimlichen. Ich sehe kein Mittel, weder strenges noch gelindes, dem Ã?bel zu steuern. O was sind wir GroÃ?en auf der Woge der Menschheit? Wir glauben sie zu beherrschen, und sie treibt uns auf und nieder, hin und her. (Machiavell tritt auf.) Regentin. Sind die Briefe an den KÃnig aufgesetzt? Machiavell. In einer Stunde werdet Ihr sie unterschreiben kÃnnen. Regentin. Habt Ihr den Bericht ausfÃ?hrlich genug gemacht? Machiavell. AusfÃ?hrlich und umstÃ?ndlich, wie es der KÃnig liebt. Ich erzÃ?hle, wie zuerst um St. Omer die bilderstÃ?rmerische Wut sich zeigt. Wie eine rasende Menge, mit StÃ?ben, Beilen, HÃ?mmern, Leitern, Stricken versehen, von wenig Bewaffneten begleitet, erst Kapellen, Kirchen und KlÃster anfallen, die AndÃ?chtigen verjagen, die verschlossenen Pforten aufbrechen, alles umkehren, die AltÃ?re niederreiÃ?en, die Statuen der Heiligen zerschlagen, alle GemÃ?lde verderben, alles, was sie nur Geweihtes, Geheiligtes antreffen, zerschmettern, zerreiÃ?en, zertreten. Wie sich der Haufe unterwegs vermehrt, die Einwohner von Ypern ihnen die Tore erÃffnen. Wie sie den Dom mit unglaublicher Schnelle verwÃ?sten, die Bibliothek des Bischofs verbrennen. Wie eine groÃ?e Menge Volks, von gleichem Unsinn ergriffen, sich Ã?ber Menin, Comines, Werwicq, Lille verbreitet, nirgend Widerstand findet, und wie fast durch ganz Flandern in einem Augenblicke die ungeheure VerschwÃrung sich erklÃ?rt und ausgefÃ?hrt ist. Regentin. Ach, wie ergreift mich aufs neue der Schmerz bei deiner Wiederholung! Und die Furcht gesellt sich dazu, das Ã?bel werde nur grÃÃ?er und grÃÃ?er werden. Sagt mir Eure Gedanken, Machiavell! Machiavell. Verzeihen Eure Hoheit, meine Gedanken sehen Grillen so Ã?hnlich; und wenn Ihr auch immer mit meinen Diensten zufrieden wart, habt Ihr doch selten meinem Rat folgen mÃgen. Ihr sagtet oft im Scherze: Â'Du siehst zu weit, Machiavell! Du solltest Geschichtschreiber sein: wer handelt, muÃ? fÃ?rs NÃ?chste sorgen.Â' Und doch, habe ich diese Geschichte nicht vorauserzÃ?hlt? Hab ich nicht alles vorausgesehen? Regentin. Ich sehe auch viel voraus, ohne es Ã?ndern zu kÃnnen. Machiavell. Ein Wort fÃ?r tausend: Ihr unterdrÃ?ckt die neue Lehre nicht. LaÃ?t sie gelten, sondert sie von den RechtglÃ?ubigen, gebt ihnen Kirchen, faÃ?t sie in die bÃ?rgerliche Ordnung, schrÃ?nkt sie ein; und so habt Ihr die AufrÃ?hrer auf einmal zur Ruhe gebracht. Jede andern Mittel sind vergeblich, und Ihr verheert das Land. Regentin. Hast du vergessen, mit welchem Abscheu mein Bruder selbst die Frage verwarf, ob man die neue Lehre dulden kÃnne? WeiÃ?t du nicht, wie er mir in jedem Briefe die Erhaltung des wahren Glaubens aufs eifrigste empfiehlt? daÃ? er Ruhe und Einigkeit auf Kosten der Religion nicht hergestellt wissen will? HÃ?lt er nicht selbst in den Provinzen Spione, die wir nicht kennen, um zu erfahren, wer sich zu der neuen Meinung hinÃ?berneigt? Hat er nicht zu unsrer Verwunderung uns diesen und jenen genannt, der sich in unsrer NÃ?he heimlich der Ketzerei schuldig machte? Befiehlt er nicht Strenge und SchÃ?rfe? Und ich soll gelind sein? ich soll VorschlÃ?ge tun, daÃ? er nachsehe, daÃ? er dulde? WÃ?rde ich nicht alles Vertrauen, allen Glauben bei ihm verlieren? Machiavell. Ich weiÃ? wohl; der KÃnig befiehlt, er lÃ?Ã?t Euch seine Absichten wissen. Ihr sollt Ruhe und Friede wiederherstellen, durch ein Mittel, das die GemÃ?ter noch mehr erbittert, das den Krieg unvermeidlich an allen Enden anblasen wird. Bedenkt, was Ihr tut. Die grÃÃ?ten Kaufleute sind angesteckt, der Adel, das Volk, die Soldaten. Was hilft es, auf seinen Gedanken beharren, wenn sich um uns alles Ã?ndert? MÃchte doch ein guter Geist Philippen eingeben, daÃ? es einem KÃnige anstÃ?ndiger ist, BÃ?rger zweierlei Glaubens zu regieren, als sie durch einander aufzureiben. Regentin. Solch ein Wort nie wieder. Ich weiÃ? wohl, daÃ? Politik selten Treu und Glauben halten kann, daÃ? sie Offenheit, Gutherzigkeit, Nachgiebigkeit aus unsern Herzen ausschlieÃ?t. In weltlichen GeschÃ?ften ist das leider nur zu wahr; sollen wir aber auch mit Gott spielen wie unter einander? Sollen wir gleichgÃ?ltig gegen unsre bewÃ?hrte Lehre sein, fÃ?r die so viele ihr Leben aufgeopfert haben? Die sollten wir hingeben an hergelaufne, ungewisse, sich selbst widersprechende Neuerungen? Machiavell. Denkt nur deswegen nicht Ã?bler von mir. Regentin. Ich kenne dich und deine Treue und weiÃ?, daÃ? einer ein ehrlicher und verstÃ?ndiger Mann sein kann, wenn er gleich den nÃ?chsten besten Weg zum Heil seiner Seele verfehlt hat. Es sind noch andere, Machiavell, MÃ?nner, die ich schÃ?tzen und tadeln muÃ?. Machiavell. Wen bezeichnet Ihr mir? Regentin. Ich kann es gestehen, daÃ? mir Egmont heute einen recht innerlichen tiefen VerdruÃ? erregte. Machiavell. Durch welches Betragen? Regentin. Durch sein gewÃhnliches, durch GleichgÃ?ltigkeit und Leichtsinn. Ich erhielt die schreckliche Botschaft, eben als ich, von vielen und ihm begleitet, aus der Kirche ging. Ich hielt meinen Schmerz nicht an, ich beklagte mich laut und rief, indem ich mich zu ihm wendete. Â'Seht, was in Eurer Provinz entsteht! Das duldet Ihr, Graf, von dem der KÃnig sich alles versprach?Â' Machiavell. Und was antwortete er? Regentin. Als wenn es nichts, als wenn es eine Nebensache wÃ?re, versetzte er: Â'WÃ?ren nur erst die NiederlÃ?nder Ã?ber ihre Verfassung beruhigt! Das Ã?brige wÃ?rde sich leicht geben.Â' Machiavell. Vielleicht hat er wahrer als klug und fromm gesprochen. Wie soll Zutrauen entstehen und bleiben, wenn der NiederlÃ?nder sieht, daÃ? es mehr um seine BesitztÃ?mer als um sein Wohl, um seiner Seele Heil zu tun ist? Haben die neuen BischÃfe mehr Seelen gerettet, als fette PfrÃ?nden geschmaust, und sind es nicht meist Fremde? Noch werden alle Statthalterschaften mit NiederlÃ?ndern besetzt; lassen sich es die Spanier nicht zu deutlich merken, daÃ? sie die grÃÃ?te, unwiderstehlichste Begierde nach diesen Stellen empfinden? Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art von den Seinigen regieret werden als von Fremden, die erst im Lande sich wieder BesitztÃ?mer auf Unkosten aller zu erwerben suchen, die einen fremden MaÃ?stab mitbringen und unfreundlich und ohne Teilnehmung herrschen? Regentin. Du stellst dich auf die Seite der Gegner. Machiavell. Mit dem Herzen gewiÃ? nicht; und wollte, ich kÃnnte mit dem Verstande ganz auf der unsrigen sein. Regentin. Wenn du so willst, so tÃ?t' es not, ich trÃ?te ihnen meine Regentschaft ab; denn Egmont und Oranien machten sich groÃ?e Hoffnung, diesen Platz einzunehmen. Damals waren sie Gegner; jetzt sind sie gegen mich verbunden, sind Freunde, unzertrennliche Freunde geworden. Machiavell. Ein gefÃ?hrliches Paar. Regentin. Soll ich aufrichtig reden: ich fÃ?rchte Oranien, und ich fÃ?rchte fÃ?r Egmont. Oranien sinnt nichts Gutes, seine Gedanken reichen in die Ferne, er ist heimlich, scheint alles anzunehmen, widerspricht nie, und in tiefster Ehrfurcht, mit grÃÃ?ter Vorsicht tut er, was ihm beliebt. Machiavell. Recht im Gegenteil geht Egmont einen freien Schritt, als wenn die Welt ihm gehÃrte. Regentin. Er trÃ?gt das Haupt so hoch, als wenn die Hand der MajestÃ?t nicht Ã?ber ihm schwebte. Machiavell. Die Augen des Volks sind alle nach ihm gerichtet, und die Herzen hÃ?ngen an ihm. Regentin. Nie hat er einen Schein vermieden; als wenn niemand Rechenschaft von ihm zu fordern hÃ?tte. Noch trÃ?gt er den Namen Egmont. Graf Egmont freut ihn sich nennen zu hÃren; als wollte er nicht vergessen, daÃ? seine Vorfahren Besitzer von Geldern waren. Warum nennt er sich nicht Prinz von Gaure, wie es ihm zukommt? Warum tut er das? Will er erloschne Rechte wieder geltend machen? Machiavell. Ich halte ihn fÃ?r einen treuen Diener des KÃnigs. Regentin. Wenn er wollte, wie verdient kÃnnte er sich um die Regierung machen; anstatt daÃ? er uns schon, ohne sich zu nutzen, unsÃ?glichen VerdruÃ? gemacht hat. Seine Gesellschaften, Gastmahle und Gelage haben den Adel mehr verbunden und verknÃ?pft als die gefÃ?hrlichsten heimlichen ZusammenkÃ?nfte. Mit seinen Gesundheiten haben die GÃ?ste einen dauernden Rausch, einen nie sich verziehenden Schwindel geschÃpft. Wie oft setzt er durch seine Scherzreden die GemÃ?ter des Volks in Bewegung, und wie stutzte der PÃbel Ã?ber die neuen Livreen, Ã?ber die tÃrichten Abzeichen der Bedienten! Machiavell. Ich bin Ã?berzeugt, es war ohne Absicht. Regentin. Schlimm genug. Wie ich sage: er schadet uns und nÃ?tzt sich nicht. Er nimmt das Ernstliche scherzhaft; und wir, um nicht mÃ?Ã?ig und nachlÃ?ssig zu scheinen, mÃ?ssen das Scherzhafte ernstlich nehmen. So hetzt eins das andre; und was man abzuwenden sucht, das macht sich erst recht. Er ist gefÃ?hrlicher als ein entschiednes Haupt einer VerschwÃrung; und ich mÃ?Ã?te mich sehr irren, wenn man ihm bei Hofe nicht alles gedenkt. Ich kann nicht leugnen, es vergeht wenig Zeit, daÃ? er mich nicht empfindlich, sehr empfindlich macht. Machiavell. Er scheint mir in allem nach seinem Gewissen zu handeln. Regentin. Sein Gewissen hat einen gefÃ?lligen Spiegel. Sein Betragen ist oft beleidigend. Er sieht oft aus, als wenn er in der vÃlligen Ã?berzeugung lebe, er sei Herr und wolle es uns nur aus GefÃ?lligkeit nicht fÃ?hlen lassen, wolle uns so gerade nicht zum Lande hinausjagen; es werde sich schon geben. Machiavell. Ich bitte Euch, legt seine Offenheit, sein glÃ?ckliches Blut, das alles Wichtige leicht behandelt, nicht zu gefÃ?hrlich aus. Ihr schadet nur ihm und Euch. Regentin. Ich lege nichts aus. Ich spreche nur von den unvermeidlichen Folgen, und ich kenne ihn. Sein niederlÃ?ndischer Adel und sein Golden Vlies vor der Brust stÃ?rken sein Vertrauen, seine KÃ?hnheit. Beides kann ihn vor einem schnellen, willkÃ?rlichen Unmut des KÃnigs schÃ?tzen. Untersuch es genau; an dem ganzen UnglÃ?ck, das Flandern trifft, ist er doch nur allein schuld. Er hat zuerst den fremden Lehrern nachgesehn, hat's so genau nicht genommen und vielleicht sich heimlich gefreut, daÃ? wir etwas zu schaffen hatten. LaÃ? mich nur; was ich auf dem Herzen habe, soll bei dieser Gelegenheit davon. Und ich will die Pfeile nicht umsonst verschieÃ?en; ich weiÃ?, wo er empfindlich ist. Er ist auch empfindlich. Machiavell. Habt Ihr den Rat zusammenberufen lassen? Kommt Oranien auch? Regentin. Ich habe nach Antwerpen um ihn geschickt. Ich will ihnen die Last der Verantwortung nahe genug zuwÃ?lzen; sie sollen sich mit mir dem Ã?bel ernstlich entgegensetzen oder sich auch als Rebellen erklÃ?ren. Eile, daÃ? die Briefe fertig werden, und bringe mir sie zur Unterschrift. Dann sende schnell den bewÃ?hrten Vaska nach Madrid; er ist unermÃ?det und treu; daÃ? mein Bruder zuerst durch ihn die Nachricht erfahre, daÃ? der Ruf ihn nicht Ã?bereile. Ich will ihn selbst noch sprechen, eh' er abgeht. Machiavell. Eure Befehle sollen schnell und genau befolgt werden. BÃ?rgerhaus Klare. Klarens Mutter. Brackenburg. Klare. Wollt Ihr mir nicht das Garn halten, Brackenburg? Brackenburg. Ich bitt Euch, verschont mich, KlÃ?rchen. Klare. Was habt Ihr wieder? Warum versagt Ihr mir diesen kleinen Liebesdienst? Brackenburg. Ihr bannt mich mit dem Zwirn so fest vor Euch hin, ich kann Euern Augen nicht ausweichen. Klare. Grillen! kommt und haltet! Mutter (im Sessel strickend). Singt doch eins! Brackenburg sekundiert so hÃ?bsch. Sonst wart ihr lustig, und ich hatte immer was zu lachen. Brackenburg. Sonst. Klare. Wir wollen singen. Brackenburg. Was Ihr wollt. Klare. Nur hÃ?bsch munter und frisch weg! Es ist ein Soldatenliedchen, mein LeibstÃ?ck. (Sie wickelt Garn und singt mit Brackenburg.) Die Trommel gerÃ?hret! Das Pfeifchen gespielt! Mein Liebster gewaffnet Dem Haufen befiehlt, Die Lanze hoch fÃ?hret, Die Leute regieret. Wie klopft mir das Herze! Wie wallt mir das Blut! O hÃ?tt' ich ein WÃ?mslein Und Hosen und Hut! Ich folgt' ihm zum Tor 'naus Mit mutigem Schritt, Ging' durch die Provinzen, Ging' Ã?berall mit. Die Feinde schon weichen, Wir schieÃ?en darein. Welch GlÃ?ck sondergleichen, Ein Mannsbild zu sein! (Brackenburg hat unter dem Singen KlÃ?rchen oft angesehen; zuletzt bleibt ihm die Stimme stocken, die TrÃ?nen kommen ihm in die Augen, er lÃ?Ã?t den Strang fallen und geht ans Fenster. KlÃ?rchen singt das Lied allein aus, die Mutter winkt ihr halb unwillig, sie steht auf, geht einige Schritte nach ihm hin, kehrt halb unschlÃ?ssig wieder um und setzt sich.) Mutter. Was gibt's auf der Gasse, Brackenburg? Ich hÃre marschieren. Brackenburg. Es ist die Leibwache der Regentin. Klare. Um diese Stunde? was soll das bedeuten? (Sie steht auf und geht an das Fenster zu Brackenburg.) Das ist nicht die tÃ?gliche Wache, das sind weit mehr! Fast alle ihre Haufen. O Brackenburg, geht! hÃrt einmal, was es gibt. Es muÃ? etwas Besonderes sein. Geht, guter Brackenburg, tut mir den Gefallen. Brackenburg. Ich gehe! Ich bin gleich wieder da (Er reicht ihr abgehend die Hand; sie gibt ihm die ihrige.) Mutter. Du schickst ihn schon wieder weg. Klare. Ich bin neugierig; und auch, verdenkt mir's nicht, seine Gegenwart tut mir weh. Ich weiÃ? immer nicht, wie ich mich gegen ihn betragen soll. Ich habe unrecht gegen ihn, und mich nagt's am Herzen, daÃ? er es so lebendig fÃ?hlt. - Kann ich's doch nicht Ã?ndern! Mutter. Es ist ein so treuer Bursche. Klare. Ich kann's auch nicht lassen, ich muÃ? ihm freundlich begegnen. Meine Hand drÃ?ckt sich oft unversehens zu, wenn die seine mich so leise, so liebevoll anfaÃ?t. Ich mache mir VorwÃ?rfe, daÃ? ich ihn betriege, daÃ? ich in seinem Herzen eine vergebliche Hoffnung nÃ?hre. Ich bin Ã?bel dran. WeiÃ? Gott, ich betrieg ihn nicht. Ich will nicht, daÃ? er hoffen soll, und ich kann ihn doch nicht verzweifeln lassen. Mutter. Das ist nicht gut. Klare. Ich hatte ihn gern und will ihm auch noch wohl in der Seele. Ich hÃ?tte ihn heiraten kÃnnen und glaube, ich war nie in ihn verliebt. Mutter. GlÃ?cklich wÃ?rst du immer mit ihm gewesen. Klare. WÃ?re versorgt und hÃ?tte ein ruhiges Leben. Mutter. Und das ist alles durch deine Schuld verscherzt. Klare. Ich bin in einer wunderlichen Lage. Wenn ich so nachdenke, wie es gegangen ist, weiÃ? ich's wohl und weiÃ? es nicht. Und dann darf ich Egmont nur wieder ansehen, wird mir alles sehr begreiflich, ja wÃ?re mir weit mehr begreiflich. Ach, was ist's ein Mann! Alle Provinzen beten ihn an, und ich in seinem Arm sollte nicht das glÃ?cklichste GeschÃpf von der Welt sein? Mutter. Wie wird's in der Zukunft werden? Klare. Ach, ich frage nur, ob er mich liebt; und ob er mich liebt, ist das eine Frage? Mutter. Man hat nichts als Herzensangst mit seinen Kindern. Wie das ausgehen wird! Immer Sorge und Kummer! Es geht nicht gut aus! Du hast dich unglÃ?cklich gemacht! mich unglÃ?cklich gemacht. Klare (gelassen). Ihr lieÃ?et es doch im Anfange. Mutter. Leider war ich zu gut, bin immer zu gut. Klare. Wenn Egmont vorbeiritt und ich ans Fenster lief, schaltet Ihr mich da? Tratet Ihr nicht selbst ans Fenster? Wenn er heraufsah, lÃ?chelte, nickte, mich grÃ?Ã?te: war es Euch zuwider? Fandet Ihr Euch nicht selbst in Eurer Tochter geehrt? Mutter. Mache mir noch VorwÃ?rfe. Klare (gerÃ?hrt). Wenn er nun Ãfter die StraÃ?e kam, und wir wohl fÃ?hlten, daÃ? er um meinetwillen den Weg machte, bemerktet Ihr's nicht selbst mit heimlicher Freude? Rieft Ihr mich ab, wenn ich hinter den Scheiben stand und ihn erwartete? Mutter. Dachte ich, daÃ? es so weit kommen sollte? Klare (mit stockender Stimme und zurÃ?ckgehaltenen TrÃ?nen). Und wie er uns abends, in den Mantel eingehÃ?llt, bei der Lampe Ã?berraschte, wer war geschÃ?ftig, ihn zu empfangen, da ich auf meinem Stuhl wie angekettet und staunend sitzen blieb? Mutter. Und konnte ich fÃ?rchten, daÃ? diese unglÃ?ckliche Liebe das kluge KlÃ?rchen so bald hinreiÃ?en wÃ?rde? Ich muÃ? es nun tragen, daÃ? meine Tochter - Klare (mit ausbrechenden TrÃ?nen). Mutter! Ihr wollt's nun! Ihr habt Eure Freude, mich zu Ã?ngstigen. Mutter (weinend). Weine noch gar! Mache mich noch elender durch deine BetrÃ?bnis. Ist mir's nicht Kummer genug, daÃ? meine einzige Tochter ein verworfenes GeschÃpf ist? Klare (aufstehend und kalt). Verworfen! Egmonts Geliebte verworfen? - Welche FÃ?rstin neidete nicht das arme KlÃ?rchen um den Platz an seinem Herzen! O Mutter - meine Mutter, so redetet Ihr sonst nicht. Liebe Mutter, seid gut! Das Volk, was das denkt, die Nachbarinnen, was die murmeln - Diese Stube, dieses kleine Haus ist ein Himmel, seit Egmonts Liebe drin wohnt. Mutter. Man muÃ? ihm hold sein! das ist wahr. Er ist immer so freundlich, frei und offen. Klare. Es ist keine falsche Ader an ihm. Seht, Mutter, und er ist doch der groÃ?e Egmont. Und wenn er zu mir kommt, wie er so lieb ist, so gut! wie er mir seinen Stand, seine Tapferkeit gerne verbÃ?rge! wie er um mich besorgt ist! so nur Mensch, nur Freund, nur Liebster. Mutter. Kommt er wohl heute? Klare. Habt Ihr mich nicht oft ans Fenster gehen sehn? Habt Ihr nicht bemerkt, wie ich horche, wenn's an der TÃ?r rauscht? - Ob ich schon weiÃ?, daÃ? er vor Nacht nicht kommt, vermut ich ihn doch jeden Augenblick, von morgens an, wenn ich aufstehe. WÃ?r' ich nur ein Bube und kÃnnte immer mit ihm gehen, zu Hofe und Ã?berall hin! KÃnnt' ihm die Fahne nachtragen in der Schlacht! - Mutter. Du warst immer so ein Springinsfeld; als ein kleines Kind schon, bald toll, bald nachdenklich. Ziehst du dich nicht ein wenig besser an? Klare. Vielleicht, Mutter! wenn ich Langeweile habe! - Gestern, denkt, gingen von seinen Leuten vorbei und sangen Lobliedchen auf ihn. Wenigstens war sein Name in den Liedern! das Ã?brige konnte ich nicht verstehn. Das Herz schlug mir bis an den Hals - Ich hÃ?tte sie gern zurÃ?ckgerufen, wenn ich mich nicht geschÃ?mt hÃ?tte. Mutter. Nimm dich in acht! Dein heftiges Wesen verdirbt noch alles; du verrÃ?tst dich offenbar vor den Leuten. Wie neulich bei dem Vetter, wie du den Holzschnitt und die Beschreibung fandst und mit einem Schrei riefst: Â'Graf Egmont!Â' - Ich ward feuerrot. Klare. HÃ?tt' ich nicht schreien sollen? Es war die Schlacht bei Gravelingen, und ich finde oben im Bilde den Buchstaben C. und suche unten in der Beschreibung C. Steht da: Â'Graf Egmont, dem das Pferd unter dem Leibe totgeschossen wird.Â' Mich Ã?berlief's - und hernach muÃ?t' ich lachen Ã?ber den holzgeschnitzten Egmont, der so groÃ? war als der Turm von Gravelingen gleich dabei und die englischen Schiffe an der Seite. - Wenn ich mich manchmal erinnere, wie ich mir sonst eine Schlacht vorgestellt und was ich mir als MÃ?dchen fÃ?r ein Bild vom Grafen Egmont machte, wenn sie von ihm erzÃ?hlten, und von allen Grafen und FÃ?rsten - und wie mir's jetzt ist! (Brackenburg kommt.) Klare. Wie steht's? Brackenburg. Man weiÃ? nichts Gewisses. In Flandern soll neuerdings ein Tumult entstanden sein; die Regentin soll besorgen, er mÃchte sich hieher verbreiten. Das SchloÃ? ist stark besetzt, die BÃ?rger sind zahlreich an den Toren, das Volk summt in den Gassen. - Ich will nur schnell zu meinem alten Vater. (Als wollt' er gehen.) Klare. Sieht man Euch morgen? Ich will mich ein wenig anziehen. Der Vetter kommt, und ich sehe gar zu liederlich aus. Helft mir einen Augenblick, Mutter. - Nehmt das Buch mit, Brackenburg, und bringt mir wieder so eine Historie. Mutter. Lebt wohl. Brackenburg (seine Hand reichend). Eure Hand! Klare (ihre Hand versagend). Wenn Ihr wiederkommt. (Mutter und Tochter ab.) Brackenburg (allein). Ich hatte mir vorgenommen, gerade wieder fortzugehn; und da sie es dafÃ?r aufnimmt und mich gehen lÃ?Ã?t, mÃcht' ich rasend werden. - UnglÃ?cklicher! und dich rÃ?hrt deines Vaterlandes Geschick nicht? der wachsende Tumult nicht? - und gleich ist dir Landsmann oder Spanier, und wer regiert und wer recht hat? - War ich doch ein andrer Junge als Schulknabe! - Wenn da ein Exerzitium aufgegeben war: Â'Brutus' Rede fÃ?r die Freiheit, zur Ã?bung der RedekunstÂ', da war doch immer Fritz der Erste, und der Rektor sagte: Â'Wenn's nur ordentlicher wÃ?re, nur nicht alles so Ã?bereinander gestolpert.Â' - Damals kocht' es und trieb! - Jetzt schlepp ich mich an den Augen des MÃ?dchens so hin. Kann ich sie doch nicht lassen! Kann sie mich doch nicht lieben! - Ach - Nein - Sie - Sie kann mich nicht ganz verworfen haben - Nicht ganz - und halb und nichts! - ich duld es nicht lÃ?nger! - - Sollte es wahr sein, was mir ein Freund neulich ins Ohr sagte? daÃ? sie nachts einen Mann heimlich zu sich einlÃ?Ã?t, da sie mich zÃ?chtig immer vor Abend aus dem Hause treibt. Nein, es ist nicht wahr, es ist eine LÃ?ge, eine schÃ?ndliche verleumderische LÃ?ge! KlÃ?rchen ist so unschuldig, als ich unglÃ?cklich bin. - Sie hat mich verworfen, hat mich von ihrem Herzen gestoÃ?en - - Und ich soll so fortleben? Ich duld, ich duld es nicht. - - Schon wird mein Vaterland von innerm Zwiste heftiger bewegt, und ich sterbe unter dem GetÃ?mmel nur ab! Ich duld es nicht! - Wenn die Trompete klingt, ein SchuÃ? fÃ?llt, mir fÃ?hrt's durch Mark und Bein! Ach, es reizt mich nicht! es fordert mich nicht, auch mit einzugreifen, mit zu retten, zu wagen. - Elender, schimpflicher Zustand! Es ist besser, ich end auf einmal. Neulich stÃ?rzt' ich mich ins Wasser, ich sank - aber die geÃ?ngstete Natur war stÃ?rker; ich fÃ?hlte, daÃ? ich schwimmen konnte, und rettete mich wider Wille. - - KÃnnt' ich der Zeiten vergessen, da sie mich liebte, mich zu lieben schien! - Warum hat mir 's Mark und Bein durchdrungen, das GlÃ?ck? Warum haben mir diese Hoffnungen allen GenuÃ? des Lebens aufgezehrt, indem sie mir ein Paradies von weitem zeigten? - Und jener erste KuÃ?! Jener einzige! - Hier (die Hand auf den Tisch legend), hier waren wir allein - sie war immer gut und freundlich gegen mich gewesen - da schien sie sich zu erweichen - sie sah mich an - alle Sinnen gingen mir um, und ich fÃ?hlte ihre Lippen auf den meinigen. - Und - und nun? - Stirb, Armer! Was zauderst du? (Er zieht ein FlÃ?schchen aus der Tasche.) Ich will dich nicht umsonst aus meines Bruders DoktorkÃ?stchen gestohlen haben, heilsames Gift! Du sollst mir dieses Bangen, diese Schwindel, diese TodesschweiÃ?e auf einmal verschlingen und lÃsen. Zweiter Aufzug Platz in BrÃ?ssel Jetter und ein Zimmermeister treten zusammen. Zimmermeister. Sagt' ich's nicht voraus? Noch vor acht Tagen auf der Zunft sagt' ich, es wÃ?rde schwere HÃ?ndel geben. Jetter. Ist's denn wahr, daÃ? sie die Kirchen in Flandern geplÃ?ndert haben? Zimmermeister. Ganz und gar zugrunde gerichtet haben sie Kirchen und Kapellen. Nichts als die vier nackten WÃ?nde haben sie stehen lassen. Lauter Lumpengesindel! Und das macht unsre gute Sache schlimm. Wir hÃ?tten eher, in der Ordnung und standhaft, unsere Gerechtsame der Regentin vortragen und drauf halten sollen. Reden wir jetzt, versammeln wir uns jetzt, so heiÃ?t es, wir gesellen uns zu den Aufwieglern. Jetter. Ja, so denkt jeder zuerst: was sollst du mit deiner Nase voran? hÃ?ngt doch der Hals gar nah damit zusammen. Zimmermeister. Mir ist's bange, wenn's einmal unter dem Pack zu lÃ?rmen anfÃ?ngt, unter dem Volk, das nichts zu verlieren hat. Die brauchen das zum Vorwande, worauf wir uns auch berufen mÃ?ssen, und bringen das Land in UnglÃ?ck. (Soest tritt dazu.) Soest. Guten Tag, ihr Herrn! Was gibt's Neues? Ist's wahr, daÃ? die BilderstÃ?rmer gerade hierher ihren Lauf nehmen? Zimmermeister. Hier sollen sie nichts anrÃ?hren. Soest. Es trat ein Soldat bei mir ein, Tobak zu kaufen - den fragt' ich aus. Die Regentin, so eine wackre kluge Frau sie bleibt, diesmal ist sie auÃ?er Fassung. Es muÃ? sehr arg sein, daÃ? sie sich so geradezu hinter ihre Wache versteckt. Die Burg ist scharf besetzt. Man meint sogar, sie wolle aus der Stadt flÃ?chten. Zimmermeister. Hinaus soll sie nicht! Ihre Gegenwart beschÃ?tzt uns, und wir wollen ihr mehr verschaffen als ihre StutzbÃ?rte. Und wenn sie uns unsere Rechte und Freiheiten aufrechterhÃ?lt, so wollen wir sie auf den HÃ?nden tragen. (Seifensieder tritt dazu.) Seifensieder. Garstige HÃ?ndel! Ã?ble HÃ?ndel! Es wird unruhig und geht schief aus! - HÃ?tet euch, daÃ? ihr stille bleibt, daÃ? man euch nicht auch fÃ?r Aufwiegler hÃ?lt. Soest. Da kommen die sieben Weisen aus Griechenland. Seifensieder. Ich weiÃ?, da sind viele, die es heimlich mit den Calvinisten halten, die auf die BischÃfe lÃ?stern, die den KÃnig nicht scheuen. Aber ein treuer Untertan, ein aufrichtiger Katholike! - (Es gesellt sich nach und nach allerlei Volk zu ihnen und horcht. - Vansen tritt dazu.) Vansen. Gott grÃ?Ã?' euch Herren! Was Neues? Zimmermeister. Gebt euch mit dem nicht ab, das ist ein schlechter Kerl. Jetter. Ist es nicht der Schreiber beim Doktor Wiets? Zimmermeister. Er hat schon viele Herren gehabt. Erst war er Schreiber, und wie ihn ein Patron nach dem andern fortjagte, Schelmstreiche halber, pfuscht er jetzt Notaren und Advokaten ins Handwerk und ist ein Branntweinzapf. (Es kommt mehr Volk zusammen und steht truppweise.) Vansen. Ihr seid auch versammelt, steckt die KÃpfe zusammen. Es ist immer redenswert. Soest. Ich denk auch. Vansen. Wenn jetzt einer oder der andere Herz hÃ?tte, und einer oder der andere den Kopf dazu: wir kÃnnten die spanischen Ketten auf einmal sprengen. Soest. Herre! So mÃ?Ã?t Ihr nicht reden. Wir haben dem KÃnig geschworen. Vansen. Und der KÃnig uns. Merkt das. Jetter. Das lÃ?Ã?t sich hÃren! Sagt Eure Meinung. Einige andere. Horch, der versteht's. Der hat Pfiffe. Vansen. Ich hatte einen alten Patron, der besaÃ? Pergamente und Briefe von uralten Stiftungen, Kontrakten und Gerechtigkeiten; er hielt auf die rarsten BÃ?cher. In einem stand unsere ganze Verfassung: wie uns NiederlÃ?nder zuerst einzelne FÃ?rsten regierten, alles nach hergebrachten Rechten, Privilegien und Gewohnheiten; wie unsre Vorfahren alle Ehrfurcht fÃ?r ihren FÃ?rsten gehabt, wenn er sie regiert, wie er sollte; und wie sie sich gleich vorsahen, wenn er Ã?ber die Schnur hauen wollte. Die Staaten waren gleich hinterdrein: denn jede Provinz, so klein sie war, hatte ihre Staaten, ihre LandstÃ?nde. Zimmermeister. Haltet Euer Maul! das weiÃ? man lange! Ein jeder rechtschaffene BÃ?rger ist, so viel er braucht, von der Verfassung unterrichtet. Jetter. LaÃ?t ihn reden; man erfÃ?hrt immer etwas mehr. Soests. Er hat ganz recht. Mehrere. ErzÃ?hlt! erzÃ?hlt! So was hÃrt man nicht alle Tage. Vansen. So seid ihr BÃ?rgersleute! Ihr lebt nur so in den Tag hin; und wie ihr euer Gewerb' von euern Eltern Ã?berkommen habt, so laÃ?t ihr auch das Regiment Ã?ber euch schalten und walten, wie es kann und mag. Ihr fragt nicht nach dem Herkommen, nach der Historie, nach dem Recht eines Regenten; und Ã?ber das VersÃ?umnis haben euch die Spanier das Netz Ã?ber die Ohren gezogen. Soests. Wer denkt da dran? wenn einer nur das tÃ?gliche Brot hat. Jetter. Verflucht! Warum tritt auch keiner in Zeiten auf und sagt einem so etwas? Vansen. Ich sag es euch jetzt. Der KÃnig in Spanien, der die Provinzen durch gut GlÃ?ck zusammen besitzt, darf doch nicht drin schalten und walten anders als die kleinen FÃ?rsten, die sie ehemals einzeln besaÃ?en. Begreift ihr das? Jetter. ErklÃ?rt's uns. Vansen. Es ist so klar als die Sonne. MÃ?Ã?t ihr nicht nach euern Landrechten gerichtet werden? Woher kÃ?me das? Ein BÃ?rger. Wahrlich! Vansen. Hat der BrÃ?sseler nicht ein ander Recht als der Antwerper? der Antwerper als der Genter? Woher kÃ?me denn das? Anderer BÃ?rger. Bei Gott! Vansen. Aber, wenn ihr's so fortlaufen laÃ?t, wird man's euch bald anders weisen. Pfui! Was Karl der KÃ?hne, Friedrich der Krieger, Karl der FÃ?nfte nicht konnten, das tut nun Philipp durch ein Weib. Soests. Ja, ja! Die alten FÃ?rsten haben's auch schon probiert. Vansen. Freilich! - Unsere Vorfahren paÃ?ten auf. Wie sie einem Herrn gram wurden, fingen sie ihm etwa seinen Sohn und Erben weg, hielten ihn bei sich und gaben ihn nur auf die besten Bedingungen heraus. Unsere VÃ?ter waren Leute! Die wuÃ?ten, was ihnen nÃ?tz war! Die wuÃ?ten etwas zu fassen und festzusetzen! Rechte MÃ?nner! DafÃ?r sind aber auch unsere Privilegien so deutlich, unsere Freiheiten so versichert. Seifensieder. Was sprecht Ihr von Freiheiten? Das Volk. Von unsern Freiheiten, von unsern Privilegien! ErzÃ?hlt noch was von unsern Privilegien. Vansen. Wir Brabanter besonders, obgleich alle Provinzen ihre Vorteile haben, wir sind am herrlichsten versehen. Ich habe alles gelesen. Soests. Sagt an. Jetter. LaÃ?t hÃren. Ein BÃ?rger. Ich bitt Euch. Vansen. Erstlich steht geschrieben: Der Herzog von Brabant soll uns ein guter und getreuer Herr sein. Soests. Gut! Steht das so? Jetter. Getreu? Ist das wahr? Vansen. Wie ich euch sage. Er ist uns verpflichtet, wie wir ihm. Zweitens: Er soll keine Macht oder eignen Willen an uns beweisen, merken lassen, oder gedenken zu gestatten, auf keinerlei Weise. Jetter. SchÃn! SchÃn! nicht beweisen. Soests. Nicht merken lassen. Ein anderer. Und nicht gedenken zu gestatten! Das ist der Hauptpunkt. Niemanden gestatten, auf keinerlei Weise. Vansen. Mit ausdrÃ?cklichen Worten. Jetter. Schafft uns das Buch. Ein BÃ?rger. Ja, wir mÃ?ssen's haben. Andere. Das Buch! das Buch! Ein anderer. Wir wollen zu der Regentin gehen mit dem Buche. Ein anderer. Ihr sollt das Wort fÃ?hren, Herr Doktor. Seifensieder. O die TrÃpfe! Andere. Noch etwas aus dem Buche! Seifensieder. Ich schlage ihm die ZÃ?hne in den Hals, wenn er noch ein Wort sagt. Das Volk. Wir wollen sehen, wer ihm etwas tut. Sagt uns was von den Privilegien! Haben wir noch mehr Privilegien? Vansen. Mancherlei, und sehr gute, sehr heilsame. Da steht auch: Der Landsherr soll den geistlichen Stand nicht verbessern oder mehren, ohne Verwilligung des Adels und der StÃ?nde! Merkt das! Auch den Staat des Landes nicht verÃ?ndern. Soest. Ist das so? Vansen. Ich will's euch geschrieben zeigen, von zwei-, dreihundert Jahren her. BÃ?rger. Und wir leiden die neuen BischÃfe? Der Adel muÃ? uns schÃ?tzen, wir fangen HÃ?ndel an! Andere. Und wir lassen uns von der Inquisition ins Bockshorn jagen? Vansen. Das ist eure Schuld. Das Volk. Wir haben noch Egmont! noch Oranien! Die sorgen fÃ?r unser Bestes! Vansen. Eure BrÃ?der in Flandern haben das gute Werk angefangen. Seifensieder. Du Hund! (Er schlÃ?gt ihn.) Andere (widersetzen sich und rufen). Bist du auch ein Spanier? Ein anderer. Was? den Ehrenmann? Ein anderer. Den Gelahrten? (Sie fallen den Seifensieder an.) Zimmermeister. Um's Himmels willen, ruht! (Andere mischen sich in den Streit.) Zimmermeister. BÃ?rger, was soll das? (Buben pfeifen, werfen mit Steinen, hetzen Hunde an, BÃ?rger stehn und gaffen, Volk lÃ?uft zu, andere gehn gelassen auf und ab, andere treiben allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren.) Andere. Freiheit und Privilegien! Privilegien und Freiheit! (Egmont tritt auf mit Begleitung.) Egmont. Ruhig! Ruhig, Leute! Was gibt's? Ruhe! Bringt sie aus einander! Zimmermeister. GnÃ?diger Herr, Ihr kommt wie ein Engel des Himmels. Stille! seht ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz! Egmont. Auch hier? Was fangt ihr an? BÃ?rger gegen BÃ?rger! HÃ?lt sogar die NÃ?he unsrer kÃniglichen Regentin diesen Unsinn nicht zurÃ?ck? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein Ã?bles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war's? (Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.) Zimmermeister. Sie schlagen sich um ihre Privilegien. Egmont. Die sie noch mutwillig zertrÃ?mmern werden - Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute. Zimmermeister. Das ist unser Bestreben. Egmont. Eures Zeichens? Zimmermeister. Zimmermann und Zunftmeister. Egmont. Und Ihr? Soest. KrÃ?mer. Egmont. Ihr? Jetter. Schneider. Egmont. Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen fÃ?r meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter. Jetter. Gnade, daÃ? Ihr Euch dessen erinnert. Egmont. Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. - Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid Ã?bel genug angeschrieben. Reizt den KÃnig nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in HÃ?nden. Ein ordentlicher BÃ?rger, der sich ehrlich und fleiÃ?ig nÃ?hrt, hat Ã?berall so viel Freiheit, als er braucht. Zimmermeister. Ach wohl! das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die SÃffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stÃ?nkern aus Langerweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lÃ?gen den Neugierigen und LeichtglÃ?ubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie HÃ?ndel an, die viel tausend Menschen unglÃ?cklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre HÃ?user und Kasten zu gut verwahrt; da mÃchten sie gern uns mit FeuerbrÃ?nden davontreiben. Egmont. Allen Beistand sollt ihr finden; es sind MaÃ?regeln genommen, dem Ã?bel krÃ?ftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, daÃ? sie sich auf den StraÃ?en rotten. VernÃ?nftige Leute kÃnnen viel tun. (Indessen hat sich der grÃÃ?te Haufe verlaufen.) Zimmermeister. Danken Euer Exzellenz, danken fÃ?r die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnÃ?diger Herr! der echte NiederlÃ?nder! Gar so nichts Spanisches. Jetter. HÃ?tten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt' ihm gerne. Soest. Das lÃ?Ã?t der KÃnig wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen. Jetter. Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt. Zimmermeister. Ein schÃner Herr! Jetter. Sein Hals wÃ?r' ein rechtes Fressen fÃ?r einen Scharfrichter. Soest. Bist du toll? was kommt dir ein! Jetter. Dumm genug, daÃ? einem so etwas einfÃ?llt. - Es ist mir nun so. Wenn ich einen schÃnen langen Hals sehe, muÃ? ich gleich wider Willen denken: der ist gut kÃpfen. - Die verfluchten Exekutionen! man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein ich, den sÃ?h' ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich's an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden SpaÃ? hab ich bald vergessen; die fÃ?rchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt. Egmonts Wohnung SekretÃ?r an einem Tisch mit Papieren, er steht unruhig auf. SekretÃ?r. Er kommt immer nicht! und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand,. die Papiere vor mir; und eben heute mÃcht' ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen. Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben. Â'Sei auf die Stunde daÂ', befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt' ich's besser, wenn er strenge wÃ?re und lieÃ?e einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man kÃnnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiÃ?, wen er unterwegs angefaÃ?t hat. (Egmont tritt auf.) Egmont. Wie sieht's aus? SekretÃ?r. Ich bin bereit, und drei Boten warten. Egmont. Ich bin dir wohl zu lang geblieben; du machst ein verdrieÃ?lich Gesicht. SekretÃ?r. Euerm Befehl zu gehorchen, wart ich schon lange. Hier sind die Papiere! Egmont. Donna Elvira wird bÃse auf mich werden, wenn sie hÃrt, daÃ? ich dich abgehalten habe. SekretÃ?r. Ihr scherzt. Egmont. Nein, nein. SchÃ?me dich nicht. Du zeigst einen guten Geschmack. Sie ist hÃ?bsch; und es ist mir ganz recht, daÃ? du auf dem Schlosse eine Freundin hast. Was sagen die Briefe? SekretÃ?r. Mancherlei und wenig Erfreuliches. Egmont. Da ist gut, daÃ? wir die Freude zu Hause haben und sie nicht von auswÃ?rts zu erwarten brauchen. Ist viel gekommen? SekretÃ?r. Genug, und drei Boten warten. Egmont. Sag an! das NÃtigste! SekretÃ?r. Es ist alles nÃtig. Egmont. Eins nach dem andern, nur geschwind! SekretÃ?r. Hauptmann Breda schickt die Relation, was weiter in Gent und der umliegenden Gegend vorgefallen. Der Tumult hat sich meistens gelegt. - Egmont. Er schreibt wohl noch von einzelnen Ungezogenheiten und TollkÃ?hnheiten? SekretÃ?r. Ja! Es kommt noch manches vor. Egmont. Verschone mich damit. SekretÃ?r. Noch sechs sind eingezogen worden, die bei Wervicq das Marienbild umgerissen haben. Er fragt an, ob er sie auch wie die andern soll hÃ?ngen lassen? Egmont. Ich bin des HÃ?ngens mÃ?de. Man soll sie durchpeitschen, und sie mÃgen gehen. SekretÃ?r. Es sind zwei Weiber dabei; soll er die auch durchpeitschen? Egmont. Die mag er verwarnen und laufenlassen. SekretÃ?r. Brink von Bredas Kompanie will heiraten. Der Hauptmann hofft, Ihr werdet's ihm abschlagen. Es sind so viele Weiber bei dem Haufen, schreibt er, daÃ?, wenn wir ausziehen, es keinem Soldatenmarsch, sondern einem Zigeunergeschleppe Ã?hnlich sehen wird. Egmont. Dem mag's noch hingehen! Es ist ein schÃner junger Kerl; er bat mich noch gar dringend, eh' ich wegging. Aber nun soll's keinem mehr gestattet sein, so leid mir's tut, den armen Teufeln, die ohnedies geplagt genug sind, ihren besten SpaÃ? zu versagen. SekretÃ?r. Zwei von Euern Leuten, Seter und Hart, haben einem MÃ?del, einer Wirtstochter, Ã?bel mitgespielt. Sie kriegten sie allein, und die Dirne konnte sich ihrer nicht erwehren. Egmont. Wenn es ein ehrlich MÃ?dchen ist, und sie haben Gewalt gebraucht, so soll er sie drei Tage hintereinander mit Ruten streichen lassen, und wenn sie etwas besitzen, soll er so viel davon einziehen, daÃ? dem MÃ?dchen eine Ausstattung gereicht werden kann. SekretÃ?r. Einer von den fremden Lehrern ist heimlich durch Comines gegangen und entdeckt worden. Er schwÃrt, er sei im Begriff, nach Frankreich zu gehen. Nach dem Befehl soll er enthauptet werden. Egmont. Sie sollen ihn in der Stille an die Grenze bringen und ihm versichern, daÃ? er das zweitemal nicht so wegkommt. SekretÃ?r. Ein Brief von Euerm Einnehmer. Er schreibt: es komme wenig Geld ein, er kÃnne auf die Woche die verlangte Summe schwerlich schicken; der Tumult habe in alles die grÃÃ?te Konfusion gebracht. Egmont. Das Geld muÃ? herbei! er mag sehen, wie er es zusammenbringt. SekretÃ?r. Er sagt, er werde sein mÃglichstes tun und wolle endlich den Raymond, der Euch so lange schuldig ist, verklagen und in Verhaft nehmen lassen. Egmont. Der hat ja versprochen zu bezahlen. SekretÃ?r. Das letztemal setzte er sich selbst vierzehn Tage. Egmont. So gebe man ihm noch vierzehn Tage; und dann mag er gegen ihn verfahren. SekretÃ?r. Ihr tut wohl. Es ist nicht UnvermÃgen; es ist bÃser Wille. Er macht gewiÃ? Ernst, wenn er sieht, Ihr spaÃ?t nicht. - Ferner sagt der Einnehmer: er wolle den alten Soldaten, den Witwen und einigen andern, denen Ihr Gnadengehalte gebt, die GebÃ?hr einen halben Monat zurÃ?ckhalten; man kÃnne indessen Rat schaffen; sie mÃchten sich einrichten. Egmont. Was ist da einzurichten? Die Leute brauchen das Geld nÃtiger als ich. Das soll er bleibenlassen. SekretÃ?r. Woher befehlt Ihr denn, daÃ? er das Geld nehmen soll? Egmont. Darauf mag er denken; es ist ihm im vorigen Briefe schon gesagt. SekretÃ?r. Deswegen tut er die VorschlÃ?ge. Egmont. Die taugen nicht, er soll auf was anders sinnen. Er soll VorschlÃ?ge tun, die annehmlich sind, und vor allem soll er das Geld schaffen. SekretÃ?r. Ich habe den Brief des Grafen Oliva wieder hiehergelegt. Verzeiht, daÃ? ich Euch daran erinnere. Der alte Herr verdient vor allen andern eine ausfÃ?hrliche Antwort. Ihr wolltet ihm selbst schreiben. GewiÃ?, er liebt Euch wie ein Vater. Egmont. Ich komme nicht dazu. Und unter vielem VerhaÃ?ten ist mir das Schreiben das VerhaÃ?teste. Du machst meine Hand ja so gut nach, schreib in meinem Namen. Ich erwarte Oranien. Ich komme nicht dazu; und wÃ?nschte selbst, daÃ? ihm auf seine Bedenklichkeiten was recht Beruhigendes geschrieben wÃ?rde. SekretÃ?r. Sagt mir nur ungefÃ?hr Eure Meinung; ich will die Antwort schon aufsetzen und sie Euch vorlegen. Geschrieben soll sie werden, daÃ? sie vor Gericht fÃ?r Eure Hand gelten kann. Egmont. Gib mir den Brief. (Nachdem er hineingesehen.) Guter ehrlicher Alter! Warst du in deiner Jugend auch wohl so bedÃ?chtig? Erstiegst du nie einen Wall? Bliebst du in der Schlacht, wo es die Klugheit anrÃ?t, hinten? - Der treue, sorgliche! Er will mein Leben und mein GlÃ?ck und fÃ?hlt nicht, daÃ? der schon tot ist, der um seiner Sicherheit willen lebt. - Schreib ihm, er mÃge unbesorgt sein; ich handle, wie ich soll, ich werde mich schon wahren: sein Ansehn bei Hofe soll er zu meinen Gunsten brauchen und meines vollkommnen Dankes gewiÃ? sein. SekretÃ?r. Nichts weiter? O er erwartet mehr. Egmont. Was soll ich mehr sagen? Willst du mehr Worte machen, so steht's bei dir. Es dreht sich immer um den einen Punkt: ich soll leben, wie ich nicht leben mag. DaÃ? ich frÃhlich bin, die Sachen leicht nehme, rasch lebe, das ist mein GlÃ?ck; und ich vertausch es nicht gegen die Sicherheit eines TotengewÃlbes. Ich habe nun zu der spanischen Lebensart nicht einen Blutstropfen in meinen Adern; nicht Lust, meine Schritte nach der neuen bedÃ?chtigen Hofkadenz zu mustern. Leb ich nur, um aufs Leben zu denken? Soll ich den gegenwÃ?rtigen Augenblick nicht genieÃ?en, damit ich des folgenden gewiÃ? sei? Und diesen wieder mit Sorgen und Grillen verzehren? SekretÃ?r. Ich bitt Euch, Herr; seid nicht so harsch und rauh gegen den guten Mann. Ihr seid ja sonst gegen alle freundlich. Sagt mir ein gefÃ?llig Wort, das den edeln Freund beruhige. Seht, wie sorgfÃ?ltig er ist, wie leis er Euch berÃ?hrt. Egmont. Und doch berÃ?hrt er immer diese Saite. Er weiÃ? von alters her, wie verhaÃ?t mir diese Ermahnungen sind; sie machen nur irre, sie helfen nichts. Und wenn ich ein Nachtwandler wÃ?re und auf dem gefÃ?hrlichen Gipfel eines Hauses spazierte, ist es freundschaftlich, mich beim Namen zu rufen und mich zu warnen, zu wecken und zu tÃten? LaÃ?t jeden seines Pfades gehn; er mag sich wahren. SekretÃ?r. Es ziemt Euch, nicht zu sorgen, aber wer Euch kennt und liebt - Egmont (in den Brief sehend). Da bringt er wieder die alten MÃ?rchen auf, was wir an einem Abend in leichtem Ã?bermut der Geselligkeit und des Weins getrieben und gesprochen; und was man daraus fÃ?r Folgen und Beweise durchs ganze KÃnigreich gezogen und geschleppt habe. - Nun gut! wir haben Schellenkappen, Narrenkutten auf unsrer Diener Ã'rmel sticken lassen, und haben diese tolle Zierde nachher in ein BÃ?ndel Pfeile verwandelt; ein noch gefÃ?hrlicher Symbol fÃ?r alle, die deuten wollen, wo nichts zu deuten ist. Wir haben die und jene Torheit in einem lustigen Augenblick empfangen gleich und geboren; sind schuld, daÃ? eine ganze edle Schar mit BettelsÃ?cken und mit einem selbstgewÃ?hlten Unnamen dem KÃnige seine Pflicht mit spottender Demut ins GedÃ?chtnis rief; sind schuld - was ist's nun weiter? Ist ein Fastnachtsspiel gleich Hochverrat? Sind uns die kurzen, bunten Lumpen zu miÃ?gÃnnen, die ein jugendlicher Mut, eine angefrischte Phantasie um unsers Lebens arme BlÃÃ?e hÃ?ngen mag? Wenn ihr das Leben gar zu ernsthaft nehmt, was ist denn dran? Wenn uns der Morgen nicht zu neuen Freuden weckt, am Abend uns keine Lust zu hoffen Ã?brigbleibt: ist's wohl des An- und Ausziehens wert? Scheint mir die Sonne heut, um das zu Ã?berlegen, was gestern war? und um zu raten, zu verbinden, was nicht zu erraten, nicht zu verbinden ist, das Schicksal eines kommenden Tages? Schenke mir diese Betrachtungen; wir wollen sie SchÃ?lern und HÃflingen Ã?berlassen. Die mÃgen sinnen und aussinnen, wandeln und schleichen, gelangen, wohin sie kÃnnen, erschleichen, was sie kÃnnen. - Kannst du von allem diesem etwas brauchen, daÃ? deine Epistel kein Buch wird, so ist mir's recht. Dem guten Alten scheint alles viel zu wichtig. So drÃ?ckt ein Freund, der lang unsre Hand gehalten, sie stÃ?rker noch einmal, wenn er sie lassen will. SekretÃ?r. Verzeiht mir, es wird dem FuÃ?gÃ?nger schwindlig, der einen Mann, mit rasselnder Eile daherfahren sieht. Egmont. Kind! Kind! nicht weiter! Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unsers Schicksals leichtem Wagen durch; und uns bleibt nichts, als, mutig gefaÃ?t, die ZÃ?gel festzuhalten und bald rechts bald links, vom Steine hier vom Sturze da, die RÃ?der wegzulenken. Wohin es geht, wer weiÃ? es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam. SekretÃ?r. Herr! Herr! Egmont. Ich stehe hoch und kann und muÃ? noch hÃher steigen; ich fÃ?hle mir Hoffnung, Mut und Kraft. Noch hab ich meines Wachstums Gipfel nicht erreicht; und steh ich droben einst, so will ich fest, nicht Ã?ngstlich stehn. Soll ich fallen, so mag ein Donnerschlag, ein Sturmwind, ja ein selbst verfehlter Schritt mich abwÃ?rts in die Tiefe stÃ?rzen; da lieg ich mit viel Tausenden. Ich habe nie verschmÃ?ht, mit meinen guten Kriegsgesellen um kleinen Gewinst das blutige Los zu werfen; und sollt' ich knickern, wenn's um den ganzen freien Wert des Lebens geht? SekretÃ?r. O Herr! Ihr wiÃ?t nicht, was fÃ?r Worte Ihr sprecht! Gott erhalt' Euch! Egmont. Nimm deine Papiere zusammen. Oranien kommt. Fertige aus, was am nÃtigsten ist, daÃ? die Boten fortkommen, eh die Tore geschlossen werden. Das andere hat Zeit. Den Brief an den Grafen laÃ? bis morgen; versÃ?ume nicht, Elviren zu besuchen, und grÃ?Ã?e sie von mir. - Horche, wie sich die Regentin befindet; sie soll nicht wohl sein, ob sie's gleich verbirgt. (SekretÃ?r ab.) (Oranien kommt.) Egmont. Willkommen, Oranien. Ihr scheint mir nicht ganz frei. Oranien. Was sagt Ihr zu unsrer Unterhaltung mit der Regentin? Egmont. Ich fand in ihrer Art, uns aufzunehmen, nichts AuÃ?erordentliches. Ich habe sie schon mehr so gesehen. Sie schien mir nicht ganz wohl. Oranien. Merktet Ihr nicht, daÃ? sie zurÃ?ckhaltender war? Erst wollte sie unser Betragen bei dem neuen Aufruhr des PÃbels gelassen billigen; nachher merkte sie an, was sich doch auch fÃ?r ein falsches Licht darauf werfen lasse; wich dann mit dem GesprÃ?che zu ihrem alten gewÃhnlichen Diskurs: daÃ? man ihre liebevolle gute Art, ihre Freundschaft zu uns NiederlÃ?ndern, nie genug erkannt, zu leicht behandelt habe, daÃ? nichts einen erwÃ?nschten Ausgang nehmen wolle, daÃ? sie am Ende wohl mÃ?de werden, der KÃnig sich zu andern MaÃ?regeln entschlieÃ?en mÃ?sse. Habt Ihr das gehÃrt? Egmont. Nicht alles; ich dachte unterdessen an was anders. Sie ist ein Weib, guter Oranien, und die mÃchten immer gern, daÃ? sich alles unter ihr sanftes Joch gelassen schmiegte, daÃ? jeder Herkules die LÃwenhaut ablegte und ihren Kunkelhof vermehrte; daÃ?, weil sie friedlich gesinnt sind, die GÃ?rung, die ein Volk ergreift, der Sturm, den mÃ?chtige Nebenbuhler gegeneinander erregen, sich durch ein freundlich Wort beilegen lieÃ?e und die widrigsten Elemente sich zu ihren FÃ?Ã?en in sanfter Eintracht vereinigten. Das ist ihr Fall; und da sie es dahin nicht bringen kann, so hat sie keinen Weg, als launisch zu werden, sich Ã?ber Undankbarkeit, Unweisheit zu beklagen, mit schrecklichen Aussichten in die Zukunft zu drohen, und zu drohen - daÃ? sie fortgehn will. Oranien. Glaubt Ihr dasmal nicht, daÃ? sie ihre Drohung erfÃ?llt? Egmont. Nimmermehr! Wie oft habe ich sie schon reisefertig gesehn! Wo will sie denn hin? Hier Statthalterin, KÃnigin; glaubst du, daÃ? sie es unterhalten wird, am Hofe ihres Bruders unbedeutende Tage abzuhaspeln? oder nach Italien zu gehen und sich in alten FamilienverhÃ?ltnissen herumzuschleppen? Oranien. Man hÃ?lt sie dieser EntschlieÃ?ung nicht fÃ?hig, weil Ihr sie habt zaudern, weil Ihr sie habt zurÃ?cktreten sehn; dennoch liegt's wohl in ihr; neue UmstÃ?nde treiben sie zu dem lang verzÃgerten EntschluÃ?. Wenn sie ginge? und der KÃnig schickte einen andern? Egmont. Nun, der wÃ?rde kommen, und wÃ?rde eben auch zu tun finden. Mit groÃ?en Planen, Projekten und Gedanken wÃ?rde er kommen, wie er alles zurechtrÃ?cken, unterwerfen und zusammenhalten wolle; und wÃ?rde heut mit dieser Kleinigkeit, morgen mit einer andern zu tun haben, Ã?bermorgen jene Hindernis finden, einen Monat mit EntwÃ?rfen, einen andern mit VerdruÃ? Ã?ber fehlgeschlagne Unternehmen, ein halb Jahr in Sorgen Ã?ber eine einzige Provinz zubringen. Auch ihm wird die Zeit vergehn, der Kopf schwindeln und die Dinge wie zuvor ihren Gang halten, daÃ? er, statt weite Meere nach einer vorgezognen Linie zu durchsegeln, Gott danken mag, wenn er sein Schiff in diesem Sturme vom Felsen hÃ?lt. Oranien. Wenn man nun aber dem KÃnig zu einem Versuch riete? Egmont. Der wÃ?re? Oranien. Zu sehen, was der Rumpf ohne Haupt anfinge. Egmont. Wie? Oranien. Egmont, ich trage viele Jahre her alle unsere VerhÃ?ltnisse am Herzen, ich stehe immer wie Ã?ber einem Schachspiele und halte keinen Zug des Gegners fÃ?r unbedeutend; und wie mÃ?Ã?ige Menschen mit der grÃÃ?ten Sorgfalt sich um die Geheimnisse der Natur bekÃ?mmern, so halt ich es fÃ?r Pflicht, fÃ?r Beruf eines FÃ?rsten, die Gesinnungen, die RatschlÃ?ge aller Parteien zu kennen. Ich habe Ursach', einen Ausbruch zu befÃ?rchten. Der KÃnig hat lange nach gewissen GrundsÃ?tzen gehandelt; er sieht, daÃ? er damit nicht auskommt; was ist wahrscheinlicher, als daÃ? er es auf einem andern Wege versucht? Egmont. Ich glaub's nicht. Wenn man alt wird und hat so viel versucht, und es will in der Welt nie zur Ordnung kommen, muÃ? man es endlich wohl genug haben. Oranien. Eins hat er noch nicht versucht. Egmont. Nun? Oranien. Das Volk zu schonen und die FÃ?rsten zu verderben. Egmont. Wie viele haben das schon lange gefÃ?rchtet! Es ist keine Sorge. Oranien. Sonst war's Sorge; nach und nach ist mir's Vermutung, zuletzt GewiÃ?heit geworden. Egmont. Und hat der KÃnig treuere Diener als uns? Oranien. Wir dienen ihm auf unsere Art; und unter einander kÃnnen wir gestehen, daÃ? wir des KÃnigs Rechte und die unsrigen wohl abzuwÃ?gen wissen. Egmont. Wer tut's nicht? Wir sind ihm untertan und gewÃ?rtig in dem, was ihm zukommt. Oranien. Wenn er sich nun aber mehr zuschriebe und Treulosigkeit nennte, was wir heiÃ?en: auf unsre Rechte halten? Egmont. Wir werden uns verteidigen kÃnnen. Er rufe die Ritter des Vlieses zusammen, wir wollen uns richten lassen. Oranien. Und was wÃ?re ein Urteil vor der Untersuchung? eine Strafe vor dem Urteil? Egmont. Eine Ungerechtigkeit, der sich Philipp nie schuldig machen wird; und eine Torheit, die ich ihm und seinen RÃ?ten nicht zutraue. Oranien. Und wenn sie nun ungerecht und tÃricht wÃ?ren? Egmont. Nein, Oranien, es ist nicht mÃglich. Wer sollte wagen, Hand an uns zu legen? - Uns gefangenzunehmen, wÃ?r' ein verlornes und fruchtloses Unternehmen. Nein, sie wagen nicht, das Panier der Tyrannei so hoch aufzustecken. Der Windhauch, der diese Nachricht Ã?bers Land brÃ?chte, wÃ?rde ein ungeheures Feuer zusammentreiben. Und wohinaus wollten sie? Richten und verdammen kann nicht der KÃnig allein; und wollten sie meuchelmÃrderisch an unser Leben? - Sie kÃnnen nicht wollen. Ein schrecklicher Bund wÃ?rde in einem Augenblick das Volk vereinigen. HaÃ? und ewige Trennung vom spanischen Namen wÃ?rde sich gewaltsam erklÃ?ren. Oranien. Die Flamme wÃ?tete dann Ã?ber unserm Grabe, und das Blut unsrer Feinde flÃsse zum leeren SÃ?hnopfer. LaÃ? uns denken, Egmont. Egmont. Wie sollten sie aber? Oranien. Alba ist unterwegs. Egmont. Ich glaub's nicht. Oranien. Ich weiÃ? es. Egmont. Die Regentin wollte nichts wissen. Oranien. Um desto mehr bin ich Ã?berzeugt. Die Regentin wird ihm Platz machen. Seinen Mordsinn kenn ich, und ein Heer bringt er mit. Egmont. Aufs neue die Provinzen zu belÃ?stigen? Das Volk wird hÃchst schwierig werden. Oranien. Man wird sich der HÃ?upter versichern. Egmont. Nein! Nein! Oranien. LaÃ? uns gehen, jeder in seine Provinz. Dort wollen wir uns verstÃ?rken; mit offner Gewalt fÃ?ngt er nicht an. Egmont. MÃ?ssen wir ihn nicht begrÃ?Ã?en, wenn er kommt? Oranien. Wir zÃgern. Egmont. Und wenn er uns im Namen des KÃnigs bei seiner Ankunft fordert? Oranien. Suchen wir AusflÃ?chte. Egmont. Und wenn er dringt? Oranien. Entschuldigen wir uns. Egmont. Und wenn er drauf besteht? Oranien. Kommen wir um so weniger. Egmont. Und der Krieg ist erklÃ?rt, und wir sind die Rebellen. Oranien, laÃ? dich nicht durch Klugheit verfÃ?hren; ich weiÃ?, daÃ? Furcht dich nicht weichen macht. Bedenke den Schritt. Oranien. Ich hab ihn bedacht. Egmont. Bedenke, wenn du dich irrst, woran du schuld bist; an dem verderblichsten Kriege, der je ein Land verwÃ?stet hat. Dein Weigern ist das Signal, das die Provinzen mit einmal zu den Waffen ruft, das jede Grausamkeit rechtfertigt, wozu Spanien von jeher nur gern den Vorwand gehascht hat. Was wir lange mÃ?hselig gestillt haben, wirst du mit einem Winke zur schrecklichsten Verwirrung aufhetzen. Denk an die StÃ?dte, die Edeln, das Volk, an die Handlung, den Feldbau, die Gewerbe! und denke die VerwÃ?stung, den Mord! - Ruhig sieht der Soldat wohl im Felde seinen Kameraden neben sich hinfallen; aber den FluÃ? herunter werden dir die Leichen der BÃ?rger, der Kinder, der Jungfrauen entgegenschwimmen, daÃ? du mit Entsetzen dastehst und nicht mehr weiÃ?t, wessen Sache du verteidigst, da die zugrunde gehen, fÃ?r deren Freiheit du die Waffen ergriffst. Und wie wird dir's sein, wenn du dir still sagen muÃ?t: Â'FÃ?r meine Sicherheit ergriff ich sie.Â' Oranien. Wir sind nicht einzelne Menschen, Egmont. Ziemt es sich, uns fÃ?r Tausende hinzugeben, so ziemt es sich auch, uns fÃ?r Tausende zu schonen. Egmont. Wer sich schont, muÃ? sich selbst verdÃ?chtig werden. Oranien. Wer sich kennt, kann sicher vor- und rÃ?ckwÃ?rts gehen. Egmont. Das Ã?bel, das du fÃ?rchtest, wird gewiÃ? durch deine Tat. Oranien. Es ist klug und kÃ?hn, dem unvermeidlichen Ã?bel entgegenzugehn. Egmont. Bei so groÃ?er Gefahr kommt die leichteste Hoffnung in Anschlag. Oranien. Wir haben nicht fÃ?r den leisesten FuÃ?tritt Platz mehr; der Abgrund liegt hart vor uns. Egmont. Ist des KÃnigs Gunst ein so schmaler Grund? Oranien. So schmal nicht, aber schlÃ?pfrig. Egmont. Bei Gott! man tut ihm Unrecht. Ich mag nicht leiden, daÃ? man unwÃ?rdig von ihm denkt! Er ist Karls Sohn und keiner Niedrigkeit fÃ?hig. Oranien. Die KÃnige tun nichts Niedriges. Egmont. Man sollte ihn kennenlernen. Oranien. Eben diese Kenntnis rÃ?t uns, eine gefÃ?hrliche Probe nicht abzuwarten. Egmont. Keine Probe ist gefÃ?hrlich, zu der man Mut hat. Oranien. Du wirst aufgebracht, Egmont. Egmont. Ich muÃ? mit meinen Augen sehen. Oranien. O sÃ?hst du diesmal nur mit den meinigen! Freund, weil du sie offen hast, glaubst du, du siehst. Ich gehe! Warte du Albas Ankunft ab, und Gott sei bei dir! Vielleicht rettet dich mein Weigern. Vielleicht daÃ? der Drache nichts zu fangen glaubt, wenn er uns nicht beide auf einmal verschlingt. Vielleicht zÃgert er, um seinen Anschlag sicherer auszufÃ?hren; und vielleicht siehest du indes die Sache in ihrer wahren Gestalt. Aber dann schnell! schnell! Rette! rette dich! - Leb wohl! - LaÃ? deiner Aufmerksamkeit nichts entgehen: wieviel Mannschaft er mitbringt, wie er die Stadt besetzt, was fÃ?r Macht die Regentin behÃ?lt, wie deine Freunde gefaÃ?t sind. Gib mir Nachricht - - - Egmont - Egmont. Was willst du? Oranien (ihn bei der Hand fassend). LaÃ? dich Ã?berreden! Geh mit! Egmont. Wie? TrÃ?nen, Oranien? Oranien. Einen Verlornen zu beweinen, ist auch mÃ?nnlich. Egmont. Du wÃ?hnst mich verloren? Oranien. Du bist's. Bedenke! Dir bleibt nur eine kurze Frist. Leb wohl! (Ab.) Egmont (allein). DaÃ? andrer Menschen Gedanken solchen EinfluÃ? auf uns haben! Mir wÃ?r' es nie eingekommen; und dieser Mann trÃ?gt seine Sorglichkeit in mich herÃ?ber. - Weg! - Das ist ein fremder Tropfen in meinem Blute. Gute Natur, wirf ihn wieder heraus! Und von meiner Stirne die sinnenden Runzeln wegzubaden, gibt es ja wohl noch ein freundlich Mittel. Dritter Aufzug Palast der Regentin Margarete von Parma. Margarete. Ich hÃ?tte mir's vermuten sollen. Ha! Wenn man in MÃ?he und Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man tue das MÃglichste; und der von weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das MÃgliche. - O die KÃnige! - Ich hÃ?tte nicht geglaubt, daÃ? es mich so verdrieÃ?en kÃnnte. Es ist so schÃn zu herrschen! - Und abzudanken? - Ich weiÃ? nicht, wie mein Vater es konnte; aber ich will es auch. (Machiavell erscheint im Grunde.) Regentin. Tretet nÃ?her, Machiavell. Ich denke hier Ã?ber den Brief meines Bruders. Machiavell. Ich darf wissen, was er enthÃ?lt? Regentin. So viel zÃ?rtliche Aufmerksamkeit fÃ?r mich als Sorgfalt fÃ?r seine Staaten. Er rÃ?hmt die Standhaftigkeit, den FleiÃ? und die Treue, womit ich bisher fÃ?r die Rechte seiner MajestÃ?t in diesen Landen gewacht habe. Er bedauert mich, daÃ? mir das unbÃ?ndige Volk so viel zu schaffen mache. Er ist von der Tiefe meiner Einsichten so vollkommen Ã?berzeugt, mit der Klugheit meines Betragens so auÃ?erordentlich zufrieden, daÃ? ich fast sagen muÃ?, der Brief ist fÃ?r einen KÃnig zu schÃn geschrieben, fÃ?r einen Bruder gewiÃ?. Machiavell. Es ist nicht das erstemal, daÃ? er Euch seine gerechte Zufriedenheit bezeigt. Regentin. Aber das erstemal, daÃ? es rednerische Figur ist. Machiavell. Ich versteh Euch nicht. Regentin. Ihr werdet. - Denn er meint, nach diesem Eingange: ohne Mannschaft, ohne eine kleine Armee werde ich immer hier eine Ã?ble Figur spielen! Wir hÃ?tten, sagt er, unrecht getan, auf die Klagen der Einwohner unsre Soldaten aus den Provinzen zu ziehen. Eine Besatzung, meint er, die dem BÃ?rger auf dem Nacken lastet, verbiete ihm durch ihre Schwere, groÃ?e SprÃ?nge zu machen. Machiavell. Es wÃ?rde die GemÃ?ter Ã?uÃ?erst aufbringen. Regentin. Der KÃnig meint aber, hÃrst du? - Er meint, daÃ? ein tÃ?chtiger General, so einer, der gar keine RÃ?son annimmt, gar bald mit Volk und Adel, BÃ?rgern und Bauern fertig werden kÃnne; - und schickt deswegen mit einem starken Heere - den Herzog von Alba. Machiavell. Alba? Regentin. Du wunderst dich? Machiavell. Ihr sagt: er schickt. Er fragt wohl, ob er schicken soll? Regentin. Der KÃnig fragt nicht; er schickt. Machiavell. So werdet Ihr einen erfahrnen Krieger in Euren Diensten haben. Regentin. In meinen Diensten? Rede grad heraus, Machiavell. Machiavell. Ich mÃcht' Euch nicht vorgreifen. Regentin. Und ich mÃchte mich verstellen! Es ist mir empfindlich, sehr empfindlich. Ich wollte lieber, mein Bruder sagte, wie er's denkt, als daÃ? er fÃrmliche Episteln unterschreibt, die ein StaatssekretÃ?r aufsetzt. Machiavell. Sollte man nicht einsehen? - Regentin. Und ich kenne sie inwendig und auswendig. Sie mÃchten's gern gesÃ?ubert und gekehrt haben; und weil sie selbst nicht zugreifen, so findet ein jeder Vertrauen, der mit dem Besen in der Hand kommt. O mir ist's, als wenn ich den KÃnig und sein Konseil auf dieser Tapete gewirkt sÃ?he. Machiavell. So lebhaft? Regentin. Es fehlt kein Zug. Es sind gute Menschen drunter. Der ehrliche Rodrich, der so erfahren und mÃ?Ã?ig ist, nicht zu hoch will, und doch nichts fallen lÃ?Ã?t, der gerade Alonzo, der fleiÃ?ige Freneda, der feste Las Vargas, und noch einige, die mitgehen, wenn die gute Partei mÃ?chtig wird. Da sitzt aber der hohlÃ?ugige Toledaner mit der ehrnen Stirne und dem tiefen Feuerblick, murmelt zwischen den ZÃ?hnen von WeibergÃ?te, unzeitigem Nachgeben und daÃ? Frauen wohl von zugerittenen Pferden sich tragen lassen, selbst aber schlechte Stallmeister sind, und solche SpÃ?Ã?e, die ich ehemals von den politischen Herren habe mit durchhÃren mÃ?ssen. Machiavell. Ihr habt zu dem GemÃ?lde einen guten Farbentopf gewÃ?hlt. Regentin. Gesteht nur, Machiavell: In meiner ganzen Schattierung, aus der ich allenfalls malen kÃnnte, ist kein Ton so gelbbraun-gallenschwarz wie Albas Gesichtsfarbe und als die Farbe, aus der er malt. Jeder ist bei ihm gleich ein GotteslÃ?sterer, ein MajestÃ?tsschÃ?nder: denn aus diesem Kapitel kann man sie alle sogleich rÃ?dern, pfÃ?hlen, vierteilen und verbrennen. - Das Gute, was ich hier getan habe, sieht gewiÃ? in der Ferne wie nichts aus, eben weil's gut ist. - Da hÃ?ngt er sich an jeden Mutwillen, der vorbei ist, erinnert an jede Unruhe, die gestillt ist; und es wird dem KÃnige vor den Augen so voll Meuterei, Aufruhr und TollkÃ?hnheit, daÃ? er sich vorstellt, sie frÃ?Ã?en sich hier einander auf, wenn eine flÃ?chtig vorÃ?bergehende Ungezogenheit eines rohen Volks bei uns lange vergessen ist. Da faÃ?t er einen recht herzlichen HaÃ? auf die armen Leute; sie kommen ihm abscheulich, ja wie Tiere und Ungeheuer vor; er sieht sich nach Feuer und Schwert um und wÃ?hnt, so bÃ?ndige man Menschen. Machiavell. Ihr scheint mir zu heftig, Ihr nehmt die Sache zu hoch. Bleibt Ihr nicht Regentin? Regentin. Das kenn ich. Er wird eine Instruktion bringen. - Ich bin in StaatsgeschÃ?ften alt genug geworden, um zu wissen, wie man einen verdrÃ?ngt, ohne ihm seine Bestallung zu nehmen. - Erst wird er eine Instruktion bringen, die wird unbestimmt und schief sein; er wird um sich greifen, denn er hat die Gewalt; und wenn ich mich beklage, wird er eine geheime Instruktion vorschÃ?tzen; wenn ich sie sehen will, wird er mich herumziehen; wenn ich drauf bestehe, wird er mir ein Papier zeigen, das ganz was anders enthÃ?lt; und wenn ich mich da nicht beruhige, gar nicht mehr tun, als wenn ich redete. - Indes wird er, was ich fÃ?rchte, getan, und was ich wÃ?nsche, weit abwÃ?rts gelenkt haben. Machiavell. Ich wollt', ich kÃnnt' Euch widersprechen. Regentin. Was ich mit unsÃ?glicher Geduld beruhigte, wird er durch HÃ?rte und Grausamkeiten wieder aufhetzen; ich werde vor meinen Augen mein Werk verloren sehen und Ã?berdies noch seine Schuld zu tragen haben. Machiavell. Erwarten's Eure Hoheit. Regentin. So viel Gewalt hab ich Ã?ber mich, um stille zu sein. LaÃ? ihn kommen; ich werde ihm mit der besten Art Platz machen, eh' er mich verdrÃ?ngt. Machiavell. So rasch diesen wichtigen Schritt? Regentin. Schwerer, als du denkst. Wer zu herrschen gewohnt ist, wer's hergebracht hat, daÃ? jeden Tag das Schicksal von Tausenden in seiner Hand liegt, steigt vom Throne wie ins Grab. Aber besser so, als einem Gespenste gleich unter den Lebenden bleiben und mit hohlem Ansehn einen Platz behaupten wollen, den ihm ein anderer abgeerbt hat und nun besitzt und genieÃ?t. KlÃ?rchens Wohnung KlÃ?rchen. Mutter. Mutter. So eine Liebe wie Brackenburgs hab ich nie gesehen; ich glaubte, sie sei nur in Heldengeschichten. KlÃ?rchen (geht in der Stube auf und ab, ein Lied zwischen den Lippen summend). GlÃ?cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. Er vermutet deinen Umgang mit Egmont; und ich glaube, wenn du ihm ein wenig freundlich tÃ?test, wenn du wolltest, er heiratete dich noch. KlÃ?rchen (singt). Freudvoll Und leidvoll, Gedankenvoll sein, Langen Und bangen In schwebender Pein, Himmelhoch jauchzend, Zum Tode betrÃ?bt - GlÃ?cklich allein Ist die Seele, die liebt. Mutter. LaÃ? das Heiopopeia. KlÃ?rchen. Scheltet mir's nicht; es ist ein krÃ?ftig Lied. Hab ich doch schon manchmal ein groÃ?es Kind damit schlafen gewiegt. Mutter. Du hast doch nichts im Kopfe als deine Liebe. VergÃ?Ã?est du nur nicht alles Ã?ber das eine. Den Brackenburg solltest du in Ehren halten, sag ich dir. Er kann dich noch einmal glÃ?cklich machen. KlÃ?rchen. Er? Mutter. O ja! es kommt eine Zeit! - Ihr Kinder seht nichts voraus und Ã?berhorcht unsre Erfahrungen. Die Jugend und die schÃne Liebe, alles hat sein Ende; und es kommt eine Zeit, wo man Gott dankt, wenn man irgendwo unterkriechen kann. KlÃ?rchen (schaudert, schweigt und fÃ?hrt auf). Mutter, laÃ?t die Zeit kommen wie den Tod. Dran vorzudenken ist schreckhaft! - Und wenn er kommt! Wenn wir mÃ?ssen - dann - wollen wir uns gebÃ?rden, wie wir kÃnnen - Egmont, ich dich entbehren! - (In TrÃ?nen.) Nein, es ist nicht mÃglich, nicht mÃglich. Egmont (in einem Reitermantel, den Hut ins Gesicht gedrÃ?ckt). KlÃ?rchen! KlÃ?rchen (tut einen Schrei, fÃ?hrt zurÃ?ck). Egmont! (Sie eilt auf ihn zu.) Egmont! (Sie umarmt ihn und ruht an ihm.) O du Guter, Lieber, SÃ?Ã?er! Kommst du? bist du da! Egmont. Guten Abend, Mutter. Mutter. Gott grÃ?Ã?' Euch, edler Herr! Meine Kleine ist fast vergangen, daÃ? Ihr so lang ausbleibt; sie hat wieder den ganzen Tag von Euch geredet und gesungen. Egmont. Ihr gebt mir doch ein Nachtessen? Mutter. Zu viel Gnade. Wenn wir nur etwas hÃ?tten. KlÃ?rchen. Freilich! Seid nur ruhig, Mutter; ich habe schon alles darauf eingerichtet, ich habe etwas zubereitet. Verratet mich nicht, Mutter. Mutter. Schmal genug. KlÃ?rchen. Wartet nur! Und dann denk ich: wenn er bei mir ist, hab ich gar keinen Hunger; da sollte er auch keinen groÃ?en Appetit haben, wenn ich bei ihm bin. Egmont. Meinst du? KlÃ?rchen (stampft mit dem FuÃ?e und kehrt sich unwillig um). Egmont. Wie ist dir? KlÃ?rchen. Wie seid Ihr heute so kalt! Ihr habt mir noch keinen KuÃ? angeboten. Warum habt Ihr die Arme in den Mantel gewickelt wie ein Wochenkind? Ziemt keinem Soldaten noch Liebhaber, die Arme eingewickelt zu haben. Egmont. Zuzeiten, Liebchen, zuzeiten. Wenn der Soldat auf der Lauer steht und dem Feinde etwas ablisten mÃchte, da nimmt er sich zusammen, faÃ?t sich selbst in seine Arme und kaut seinen Anschlag reif. Und ein Liebhaber - Mutter. Wollt Ihr Euch nicht setzen? es Euch nicht bequem machen? Ich muÃ? in die KÃ?che; KlÃ?rchen denkt an nichts, wenn Ihr da seid. Ihr mÃ?Ã?t fÃ?rliebnehmen. Egmont. Euer guter Wille ist die beste WÃ?rze. (Mutter ab.) KlÃ?rchen. Und was wÃ?re denn meine Liebe? Egmont. So viel du willst. KlÃ?rchen. Vergleicht sie, wenn Ihr das Herz habt. Egmont. ZuvÃrderst also. (Er wirft den Mantel ab und steht in einem prÃ?chtigen Kleide da.) KlÃ?rchen. O je! Egmont. Nun hab ich die Arme frei. (Er herzt sie.) KlÃ?rchen. LaÃ?t! Ihr verderbt Euch. (Sie tritt zurÃ?ck.) Wie prÃ?chtig! Da darf ich Euch nicht anrÃ?hren. Egmont. Bist du zufrieden? Ich versprach dir, einmal spanisch zu kommen. KlÃ?rchen. Ich bat Euch zeither nicht mehr drum; ich dachte, Ihr wolltet nicht - Ach und das Goldne Vlies! Egmont. Da siehst du's nun. KlÃ?rchen. Das hat dir der Kaiser umgehÃ?ngt? Egmont. Ja, Kind! und Kette und Zeichen geben dem, der sie trÃ?gt, die edelsten Freiheiten. Ich erkenne auf Erden keinen Richter Ã?ber meine Handlungen als den GroÃ?meister des Ordens, mit dem versammelten Kapitel der Ritter. KlÃ?rchen. O du dÃ?rftest die ganze Welt Ã?ber dich richten lassen. - Der Sammet ist gar zu herrlich, und die Passementarbeit! und das Gestickte! - Man weiÃ? nicht, wo man anfangen soll. Egmont. Sieh dich nur satt. KlÃ?rchen. Und das Goldne Vlies! Ihr erzÃ?hltet mir die Geschichte und sagtet, es sei ein Zeichen alles GroÃ?en und Kostbaren, was man mit MÃ?h und FleiÃ? verdient und erwirbt. Es ist sehr kostbar - ich kann's deiner Liebe vergleichen. - Ich trage sie ebenso am Herzen - und hernach - Egmont. Was willst du sagen? KlÃ?rchen. Hernach vergleicht sich's auch wieder nicht. Egmont. Wieso? KlÃ?rchen. Ich habe sie nicht mit MÃ?h und FleiÃ? erworben, nicht verdient. Egmont. In der Liebe ist es anders. Du verdienst sie, weil du dich nicht darum bewirbst - und die Leute erhalten sie auch meist allein, die nicht darnach jagen. KlÃ?rchen. Hast du das von dir abgenommen? Hast du diese stolze Anmerkung Ã?ber dich selbst gemacht? du, den alles Volk liebt? Egmont. HÃ?tt' ich nur etwas fÃ?r sie getan! kÃnnt' ich etwas fÃ?r sie tun! Es ist ihr guter Wille, mich zu lieben. KlÃ?rchen. Du warst gewiÃ? heute bei der Regentin? Egmont. Ich war bei ihr. KlÃ?rchen. Bist du gut mit ihr? Egmont. Es sieht einmal so aus. Wir sind einander freundlich und dienstlich. KlÃ?rchen. Und im Herzen? Egmont. Will ich ihr wohl. Jedes hat seine eignen Absichten. Das tut nichts zur Sache. Sie ist eine treffliche Frau, kennt ihre Leute, und sÃ?he tief genug, wenn sie auch nicht argwÃhnisch wÃ?re. Ich mache ihr viel zu schaffen, weil sie hinter meinem Betragen immer Geheimnisse sucht, und ich keine habe. KlÃ?rchen. So gar keine? Egmont. Eh nun! einen kleinen Hinterhalt. Jeder Wein setzt Weinstein in den FÃ?ssern an mit der Zeit. Oranien ist doch noch eine bessere Unterhaltung fÃ?r sie und eine immer neue Aufgabe. Er hat sich in den Kredit gesetzt, daÃ? er immer etwas Geheimes vorhabe: und nun sieht sie immer nach seiner Stirne, was er wohl denken, auf seine Schritte, wohin er sie wohl richten mÃchte. KlÃ?rchen. Verstellt sie sich? Egmont. Regentin, und du fragst? KlÃ?rchen. Verzeiht, ich wollte fragen: ist sie falsch? Egmont. Nicht mehr und nicht weniger als jeder, der seine Absichten erreichen will. KlÃ?rchen. Ich kÃnnte mich in die Welt nicht finden. Sie hat aber auch einen mÃ?nnlichen Geist, sie ist ein ander Weib als wir NÃ?hterinnen und KÃchinnen. Sie ist groÃ?, herzhaft, entschlossen. Egmont. Ja, wenn's nicht gar zu bunt geht. Diesmal ist sie doch ein wenig aus der Fassung. KlÃ?rchen. Wieso? Egmont. Sie hat auch ein BÃ?rtchen auf der Oberlippe, und manchmal einen Anfall von Podagra. Eine rechte Amazone! KlÃ?rchen. Eine majestÃ?tische Frau! Ich scheute mich, vor sie zu treten. Egmont. Du bist doch sonst nicht zaghaft - Es wÃ?re auch nicht Furcht, nur jungfrÃ?uliche Scham. KlÃ?rchen (schlÃ?gt die Augen nieder, nimmt seine Hand und lehnt sich an ihn). Egmont. Ich verstehe dich! liebes MÃ?dchen! du darfst die Augen aufschlagen. (Er kÃ?Ã?t ihre Augen.) KlÃ?rchen. LaÃ? mich schweigen! LaÃ? mich dich halten. LaÃ? mich dir in die Augen sehen; alles drin finden, Trost und Hoffnung und Freude und Kummer. (Sie umarmt ihn und sieht ihn an.) Sag mir! Sage! ich begreife nicht! bist du Egmont? der Graf Egmont? der groÃ?e Egmont, der so viel Aufsehn macht, von dem in den Zeitungen steht, an dem die Provinzen hÃ?ngen? Egmont. Nein, KlÃ?rchen, das bin ich nicht. KlÃ?rchen. Wie? Egmont. Siehst du, KlÃ?rchen! - LaÃ? mich sitzen! (Er setzt sich, sie kniet vor ihn auf einen Schemel, legt ihr Arme auf seinen SchoÃ? und sieht ihn an.) Jener Egmont ist ein verdrieÃ?licher, steifer, kalter Egmont, der an sich halten, bald dieses bald jenes Gesicht machen muÃ?; geplagt, verkannt, verwickelt ist, wenn ihn die Leute fÃ?r froh und frÃhlich halten; geliebt von einem Volke, das nicht weiÃ?, was es will; geehrt und in die HÃhe getragen von einer Menge, mit der nichts anzufangen ist; umgeben von Freunden, denen er sich nicht Ã?berlassen darf; beobachtet von Menschen, die ihm auf alle Weise beikommen mÃchten; arbeitend und sich bemÃ?hend, oft ohne Zweck meist ohne Lohn - O laÃ? mich schweigen, wie es dem ergeht, wie es dem zumute ist. Aber dieser, KlÃ?rchen, der ist ruhig, offen, glÃ?cklich, geliebt und gekannt von dem besten Herzen, das auch er ganz kennt und mit voller Liebe und Zutrauen an das seine drÃ?ckt. (Er umarmt sie.) Das ist dein Egmont! KlÃ?rchen. So laÃ? mich sterben! Die Welt hat keine Freuden auf diese! Vierter Aufzug StraÃ?e Jetter. Zimmermeister. Jetter. He! Pst! He, Nachbar, ein Wort! Zimmermeister. Geh deines Pfads und sei ruhig. Jetter. Nur ein Wort. Nichts Neues? Zimmermeister. Nichts, als daÃ? uns von Neuem zu reden verboten ist. Jetter. Wie? Zimmermeister. Tretet hier ans Haus an. HÃ?tet Euch! Der Herzog von Alba hat gleich bei seiner Ankunft einen Befehl ausgehen lassen, dadurch zwei oder drei, die auf der StraÃ?e zusammen sprechen, des Hochverrats ohne Untersuchung schuldig erklÃ?rt sind. Jetter. O weh! Zimmermeister. Bei ewiger Gefangenschaft ist verboten, von Staatssachen zu reden. Jetter. O unsre Freiheit! Zimmermeister. Und bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung miÃ?billigen. Jetter. O unsre KÃpfe! Zimmermeister. Und mit groÃ?em Versprechen werden VÃ?ter, MÃ?tter, Kinder, Verwandte, Freunde, Dienstboten eingeladen, was in dem Innersten des Hauses vorgeht, bei dem besonders niedergesetzten Gerichte zu offenbaren. Jetter. Gehn wir nach Hause. Zimmermeister. Und den Folgsamen ist versprochen, daÃ? sie weder an Leibe, noch Ehre, noch VermÃgen einige KrÃ?nkung erdulden sollen. Jetter. Wie gnÃ?dig! War mir's doch gleich weh, wie der Herzog in die Stadt kam. Seit der Zeit ist mir's, als wÃ?re der Himmel mit einem schwarzen Flor Ã?berzogen und hinge so tief herunter, daÃ? man sich bÃ?cken mÃ?sse, um nicht dran zu stoÃ?en. Zimmermeister. Und wie haben dir seine Soldaten gefallen? Gelt! das ist eine andre Art von Krebsen, als wir sie sonst gewohnt waren. Jetter. Pfui! Es schnÃ?rt einem das Herz ein, wenn man so einen Haufen die Gassen hinab marschieren sieht. Kerzengerad mit unverwandtem Blick, ein Tritt, soviel ihrer sind. Und wenn sie auf der Schildwache stehen und du gehst an einem vorbei, ist's, als wenn er dich durch und durch sehen wollte, und sieht so steif und mÃ?rrisch aus, daÃ? du auf allen Ecken einen Zuchtmeister zu sehen glaubst. Sie tun mir gar nicht wohl. Unsre Miliz war doch noch ein lustig Volk; sie nahmen sich was heraus, standen mit ausgegrÃ?tschten Beinen da, hatten den Hut Ã?berm Ohr, lebten und lieÃ?en leben; diese Kerle aber sind wie Maschinen, in denen ein Teufel sitzt. Zimmermeister. Wenn so einer ruft. Â'Halt!Â' und anschlÃ?gt, meinst du, man hielte? Jetter. Ich wÃ?re gleich des Todes. Zimmermeister. Gehn wir nach Hause. Jetter. Es wird nicht gut. Adieu. (Soest tritt dazu.) Soest. Freunde! Genossen! Zimmermeister. Still! LaÃ?t uns gehen. Soest. WiÃ?t ihr? Jetter. Nur zu viel! Soest. Die Regentin ist weg. Jetter. Nun gnad' uns Gott! Zimmermeister. Die hielt uns noch. Soest. Auf einmal und in der Stille. Sie konnte sich mit dem Herzog nicht vertragen; sie lieÃ? dem Adel melden, sie komme wieder. Niemand glaubt's. Zimmermeister. Gott verzeih's dem Adel, daÃ? er uns diese neue GeiÃ?el Ã?ber den Hals gelassen hat. Sie hÃ?tten es abwenden kÃnnen. Unsre Privilegien sind hin. Jetter. Um Gottes willen nichts von Privilegien! Ich wittre den Geruch von einem Exekutionsmorgen; die Sonne will nicht hervor, die Nebel stinken. Soest. Oranien ist auch weg. Zimmermeister. So sind wir denn ganz verlassen! Soest. Graf Egmont ist noch da. Jetter. Gott sei Dank! StÃ?rken ihn alle Heiligen, daÃ? er sein Bestes tut; der ist allein was vermÃgend. (Vansen tritt auf.) Vansen. Find ich endlich ein paar, die noch nicht untergekrochen sind? Jetter. Tut uns den Gefallen und geht fÃ?rbaÃ?. Vansen. Ihr seid nicht hÃflich. Zimmermeister. Es ist gar keine Zeit zu Komplimenten. Juckt Euch der Buckel wieder? Seid Ihr schon durchgeheilt? Vansen. Fragt einen Soldaten nach seinen Wunden! Wenn ich auf SchlÃ?ge was gegeben hÃ?tte, wÃ?re sein Tage nichts aus mir geworden. Jetter. Es kann ernstlicher werden. Vansen. Ihr spÃ?rt von dem Gewitter, das aufsteigt, eine erbÃ?rmliche Mattigkeit in den Gliedern, scheint's. Zimmermeister. Deine Glieder werden sich bald woanders eine Motion machen, wenn du nicht ruhst. Vansen. Armselige MÃ?use, die gleich verzweifeln, wenn der Hausherr eine neue Katze anschafft! Nur ein biÃ?chen anders; aber wir treiben unser Wesen vor wie nach, seid nur ruhig. Zimmermeister. Du bist ein verwegener Taugenichts. Vansen. Gevatter Tropf! LaÃ? du den Herzog nur gewÃ?hren. Der alte Kater sieht aus, als wenn er Teufel statt MÃ?use gefressen hÃ?tte und kÃnnte sie nun nicht verdauen. LaÃ?t ihn nur erst; er muÃ? auch essen, trinken, schlafen wie andere Menschen. Es ist mir nicht bange, wenn wir unsere Zeit recht nehmen. Im Anfange geht's rasch; nachher wird er auch finden, daÃ? in der Speisekammer unter den Speckseiten besser leben ist und des Nachts zu ruhen, als auf dem Fruchtboden einzelne MÃ?uschen zu erlisten. Geht nur, ich kenne die Statthalter. Zimmermeister. Was so einem Menschen alles durchgeht! Wenn ich in meinem Leben so etwas gesagt hÃ?tte, hielt' ich mich keine Minute fÃ?r sicher. Vansen. Seid nur ruhig! Gott im Himmel erfÃ?hrt nichts von euch WÃ?rmern, geschweige der Regent. Jetter. LÃ?stermaul! Vansen. Ich weiÃ? andere, denen es besser wÃ?re, sie hÃ?tten statt ihres Heldenmuts eine Schneiderader im Leibe. Zimmermeister. Was wollt Ihr damit sagen? Vansen. Hm! den Grafen mein ich. Jetter. Egmont! Was soll der fÃ?rchten? Vansen. Ich bin ein armer Teufel und kÃnnte ein ganzes Jahr leben von dem, was er in einem Abende verliert. Und doch kÃnnt' er mir sein Einkommen eines ganzen Jahres geben, wenn er meinen Kopf auf eine Viertelstunde hÃ?tte. Jetter. Du denkst dich was Rechts. Egmonts Haare sind gescheiter als dein Hirn. Vansen. Redt Ihr! Aber nicht feiner. Die Herren betriegen sich am ersten. Er sollte nicht trauen. Jetter. Was er schwÃ?tzt! So ein Herr! Vansen. Eben weil er kein Schneider ist. Jetter. Ungewaschen Maul! Vansen. Dem wollt' ich Eure Courage nur eine Stunde in die Glieder wÃ?nschen, daÃ? sie ihm da Unruh machte und ihn so lange neckte und juckte, bis er aus der Stadt mÃ?Ã?te. Jetter. Ihr redet recht unverstÃ?ndig; er ist so sicher wie der Stern am Himmel. Vansen. Hast du nie einen sich schneuzen gesehn? Weg war er! Zimmermeister. Wer will ihm denn was tun? Vansen. Wer will? Willst du's etwa hindern? Willst du einen Aufruhr erregen, wenn sie ihn gefangennehmen? Jetter. Ah! Vansen. Wollt ihr eure Rippen fÃ?r ihn wagen? Soest. Eh! Vansen (sie nachÃ?ffend). Ih! Oh! Uh! Verwundert euch durchs ganze Alphabet. So ist's und bleibt's! Gott bewahre ihn! Jetter. Ich erschrecke Ã?ber Eure UnverschÃ?mtheit. So ein edler, rechtschaffener Mann sollte was zu befÃ?rchten haben? Vansen. Der Schelm sitzt Ã?berall im Vorteil. Auf dem ArmensÃ?nderstÃ?hlchen hat er den Richter zum Narren; auf dem Richterstuhl macht er den Inquisiten mit Lust zum Verbrecher. Ich habe so ein Protokoll abzuschreiben gehabt, wo der Kommissarius schwer Lob und Geld vom Hofe erhielt, weil er einen ehrlichen Teufel, an den man wollte, zum Schelmen verhÃrt hatte. Zimmermeister. Das ist wieder frisch gelogen. Was wollen sie denn heraus verhÃren, wenn einer unschuldig ist? Vansen. O Spatzenkopf! Wo nichts herauszuverhÃren ist, da verhÃrt man hinein. Ehrlichkeit macht unbesonnen, auch wohl trotzig. Da fragt man erst recht sachte weg, und der Gefangne ist stolz auf seine Unschuld, wie sie's heiÃ?en, und sagt alles geradezu, was ein VerstÃ?ndiger verbÃ?rge. Dann macht der Inquisitor aus den Antworten wieder Fragen und paÃ?t ja auf, wo irgendein WidersprÃ?chelchen erscheinen will; da knÃ?pft er seinen Strick an, und lÃ?Ã?t sich der dumme Teufel betreten, daÃ? er hier etwas zu viel, dort etwas zu wenig gesagt oder wohl gar aus Gott weiÃ? was fÃ?r einer Grille einen Umstand verschwiegen hat, auch wohl irgend an einem Ende sich hat schrecken lassen: dann sind wir auf dem rechten Weg! Und ich versichre euch, mit mehr Sorgfalt suchen die Bettelweiber nicht die Lumpen aus dem Kehricht, als so ein Schelmenfabrikant aus kleinen, schiefen, verschobenen, verrÃ?ckten, verdrÃ?ckten, geschlossenen, bekannten, geleugneten Anzeigen und UmstÃ?nden sich endlich einen strohlumpenen Vogelscheu zusammenkÃ?nstelt, um wenigstens seinen Inquisiten in effigie hÃ?ngen zu kÃnnen. Und Gott mag der arme Teufel danken, wenn er sich noch kann hÃ?ngen sehen. Jetter. Der hat eine gelÃ?ufige Zunge. Zimmermeister. Mit Fliegen mag das angehen. Die Wespen lachen Eures Gespinstes. Vansen. Nachdem die Spinnen sind. Seht, der lange Herzog hat euch so ein rein Ansehn von einer Kreuzspinne, nicht einer dickbÃ?uchigen, die sind weniger schlimm, aber so einer langfÃ?Ã?igen, schmalleibigen, die vom FraÃ?e nicht feist wird und recht dÃ?nne FÃ?den zieht, aber desto zÃ?here. Jetter. Egmont ist Ritter des Goldnen Vlieses; wer darf Hand an ihn legen? Nur von seinesgleichen kann er gerichtet werden, nur vom gesamten Orden. Dein loses Maul, dein bÃses Gewissen verfÃ?hren dich zu solchem GeschwÃ?tz. Vansen. Will ich ihm darum Ã?bel? Mir kann's recht sein. Es ist ein trefflicher Herr. Ein paar meiner guten Freunde, die anderwÃ?rts schon wÃ?ren gehangen worden, hat er mit einem Buckel voll SchlÃ?ge verabschiedet. Nun geht! Geht! Ich rat es euch selbst. Dort seh ich wieder eine Runde antreten; die sehen nicht aus, als wenn sie so bald BrÃ?derschaft mit uns trinken wÃ?rden. Wir wollen's abwarten und nur sachte zusehen. Ich hab ein paar Nichten und einen Gevatter Schenkwirt; wenn sie von denen gekostet haben und werden dann nicht zahm, so sind sie ausgepichte WÃlfe. Der Culenburgische Palast Wohnung des Herzogs von Alba Silva und Gomez begegnen einander. Silva. Hast du die Befehle des Herzogs ausgerichtet? Gomez. PÃ?nktlich. Alle tÃ?gliche Runden sind beordert, zur bestimmten Zeit an verschiedenen PlÃ?tzen einzutreffen, die ich ihnen bezeichnet habe; sie gehen indes, wie gewÃhnlich, durch die Stadt, um Ordnung zu erhalten. Keiner weiÃ? von dem andern; jeder glaubt, der Befehl gehe ihn allein an, und in einem Augenblick kann alsdann der Kordon gezogen und alle ZugÃ?nge zum Palast kÃnnen besetzt sein. WeiÃ?t du die Ursache dieses Befehls? Silva. Ich bin gewohnt, blindlings zu gehorchen. Und wem gehorcht sich's leichter als dem Herzoge, da bald der Ausgang beweist, daÃ? er recht befohlen hat? Gomez. Gut! Gut! Auch scheint es mir kein Wunder, daÃ? du so verschlossen und einsilbig wirst wie er, da du immer um ihn sein muÃ?t. Mir kommt es fremd vor, da ich den leichteren italienischen Dienst gewohnt bin. An Treue und Gehorsam bin ich der alte; aber ich habe mir das SchwÃ?tzen und RÃ?sonieren angewÃhnt. Ihr schweigt alle und laÃ?t es euch nie wohl sein. Der Herzog gleicht mir einem ehrnen Turm ohne Pforte, wozu die Besatzung FlÃ?gel hÃ?tte. Neulich hÃrt' ich ihn bei Tafel von einem frohen freundlichen Menschen sagen: er sei wie eine schlechte Schenke mit einem ausgesteckten Branntweinzeichen, um MÃ?Ã?iggÃ?nger, Bettler und Diebe hereinzulocken. Silva. Und hat er uns nicht schweigend hierhergefÃ?hrt? Gomez. Dagegen ist nichts zu sagen. GewiÃ?! Wer Zeuge seiner Klugheit war, wie er die Armee aus Italien hierher brachte, der hat etwas gesehen. Wie er sich durch Freund und Feind, durch die Franzosen, KÃniglichen und Ketzer, durch die Schweizer und Verbundnen gleichsam durchschmiegte, die strengste Mannszucht hielt und einen Zug, den man so gefÃ?hrlich achtete, leicht und ohne AnstoÃ? zu leiten wuÃ?te! - Wir haben was gesehen, was lernen kÃnnen. Silva. Auch hier! Ist nicht alles still und ruhig, als wenn kein Aufstand gewesen wÃ?re? Gomez. Nun, es war auch schon meist still, als wir her kamen. Silva. In den Provinzen ist es viel ruhiger geworden; und wenn sich noch einer bewegt, so ist es, um zu entfliehen. Aber auch diesen wird er die Wege bald versperren, denk ich. Gomez. Nun wird er erst die Gunst des KÃnigs gewinnen. Silva. Und uns bleibt nichts angelegener, als uns die seinige zu erhalten. Wenn der KÃnig hieherkommt, bleibt gewiÃ? der Herzog und jeder, den er empfiehlt, nicht unbelohnt. Gomez. Glaubst du, daÃ? der KÃnig kommt? Silva. Es werden so viele Anstalten gemacht, daÃ? es hÃchst wahrscheinlich ist. Gomez. Mich Ã?berreden sie nicht. Silva. So rede wenigstens nicht davon. Denn wenn des KÃnigs Absicht ja nicht sein sollte zu kommen, so ist sie's doch wenigstens gewiÃ?, daÃ? man es glauben soll. (Ferdinand, Albas natÃ?rlicher Sohn.) Ferdinand. Ist mein Vater noch nicht heraus? Silva. Wir warten auf ihn. Ferdinand. Die FÃ?rsten werden bald hier sein. Gomez. Kommen sie heute? Ferdinand. Oranien und Egmont. Gomez (leise zu Silva). Ich begreife etwas. Silva. So behalt es fÃ?r dich. (Herzog von Alba. - Wie er herein- und hervortritt, treten die andern zurÃ?ck.) Alba. Gomez. Gomez (tritt vor). Herr! Alba. Du hast die Wachen verteilt und beordert? Gomez. Aufs genaueste. Die tÃ?glichen Runden - Alba. Genug. Du wartest in der Galerie. Silva wird dir den Augenblick sagen, wenn du sie zusammenziehen, die ZugÃ?nge nach dem Palast besetzen sollst. Das Ã?brige weiÃ?t du. Gomez. Ja, Herr! (Ab.) Alba. Silva! Silva. Hier bin ich. Alba. Alles, was ich von jeher an dir geschÃ?tzt habe, Mut, Entschlossenheit, unaufhaltsames AusfÃ?hren, das zeige heut. Silva. Ich danke Euch, daÃ? Ihr mir Gelegenheit gebt zu zeigen, daÃ? ich der alte bin. Alba. Sobald die FÃ?rsten bei mir eingetreten sind, dann eile gleich, Egmonts Geheimschreiber gefangenzunehmen. Du hast alle Anstalten gemacht, die Ã?brigen, welche bezeichnet sind, zu fahen? Silva. Vertraue auf uns. Ihr Schicksal wird sie, wie eine wohlberechnete Sonnenfinsternis, pÃ?nktlich und schrecklich treffen. Alba. Hast du sie genau beobachten lassen? Silva. Alle; den Egmont vor andern. Er ist der einzige, der, seit du hier bist, sein Betragen nicht geÃ?ndert hat. Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andere, ladet GÃ?ste, ist immer lustig und unterhaltend bei Tafel, wÃ?rfelt, schieÃ?t und schleicht nachts zum Liebchen. Die andern haben dagegen eine merkliche Pause in ihrer Lebensart gemacht; sie bleiben bei sich; vor ihrer TÃ?re sieht's aus, als wenn ein Kranker im Hause wÃ?re. Alba. Drum rasch! eh sie uns wider Willen genesen. Silva. Ich stelle sie. Auf deinen Befehl Ã?berhÃ?ufen wir sie mit dienstfertigen Ehren. Ihnen graut's; politisch geben sie uns einen Ã?ngstlichen Dank, fÃ?hlen, das RÃ?tlichste sei, zu entfliehen, keiner wagt einen Schritt, sie zaudern, kÃnnen sich nicht vereinigen; und einzeln etwas KÃ?hnes zu tun, hÃ?lt sie der Gemeingeist ab. Sie mÃchten gern sich jedem Verdacht entziehen und machen sich immer verdÃ?chtiger. Schon seh ich mit Freuden deinen ganzen Anschlag ausgefÃ?hrt. Alba. Ich freue mich nur Ã?ber das Geschehene; und auch Ã?ber das nicht leicht; denn es bleibt stets noch Ã?brig, was uns zu denken und zu sorgen gibt. Das GlÃ?ck ist eigensinnig, oft das Gemeine, das NichtswÃ?rdige zu adeln und wohlÃ?berlegte Taten mit einem gemeinen Ausgang zu entehren. Verweile, bis die FÃ?rsten kommen; dann gib Gomez die Ordre, die StraÃ?en zu besetzen, und eile selbst, Egmonts Schreiber und die Ã?brigen gefangenzunehmen, die dir bezeichnet sind. Ist es getan, so komm hierher und meld es meinem Sohne, daÃ? er mir in den Rat die Nachricht bringe. Silva. Ich hoffe, diesen Abend vor dir stehn zu dÃ?rfen. (Alba geht nach seinem Sohne, der bisher in der Galerie gestanden.) Silva. Ich traue mir es nicht zu sagen; aber meine Hoffnung schwankt. Ich fÃ?rchte, es wird nicht werden, wie er denkt. Ich sehe Geister vor mir, die still und sinnend auf schwarzen Schalen das Geschick der FÃ?rsten und vieler Tausende wÃ?gen. Langsam wankt das ZÃ?nglein auf und ab; tief scheinen die Richter zu sinnen; zuletzt sinkt diese Schale, steigt jene, angehaucht vom Eigensinn des Schicksals, und entschieden ist's. (Ab.) (Alba mit Ferdinand hervortretend.) Alba. Wie fandst du die Stadt? Ferdinand. Es hat sich alles gegeben. Ich ritt, als wie zum Zeitvertreib, straÃ?auf, straÃ?ab. Eure wohlverteilten Wachen halten die Furcht so angespannt, daÃ? sie sich nicht zu lispeln untersteht. Die Stadt sieht einem Felde Ã?hnlich, wenn das Gewitter von weitem leuchtet; man erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach einem Schutzorte schlÃ?pft. Alba. Ist dir nichts weiter begegnet? Ferdinand. Egmont kam mit einigen auf den Markt geritten; wir grÃ?Ã?ten uns; er hatte ein rohes Pferd, das ich ihm loben muÃ?te. Â'LaÃ?t uns eilen, Pferde zuzureiten, wir werden sie bald brauchen!Â' rief er mir entgegen. Er werde mich noch heute wiedersehn, sagte er, und komme, auf Euer Verlangen, mit Euch zu ratschlagen. Alba. Er wird dich wiedersehn. Ferdinand. Unter allen Rittern, die ich hier kenne, gefÃ?llt er mir am besten. Es scheint, wir werden Freunde sein. Alba. Du bist noch immer zu schnell und wenig behutsam; immer erkenn ich in dir den Leichtsinn deiner Mutter, der mir sie unbedingt in die Arme lieferte. Zu mancher gefÃ?hrlichen Verbindung lud dich der Anschein voreilig ein. Ferdinand. Euer Wille findet mich bildsam. Alba. Ich vergebe deinem jungen Blute dies leichtsinnige Wohlwollen, diese unachtsame FrÃhlichkeit. Nur vergiÃ? nicht, zu welchem Werke ich gesandt bin, und welchen Teil ich dir dran geben mÃchte. Ferdinand. Erinnert mich, und schont mich nicht, wo Ihr es nÃtig haltet. Alba (nach einer Pause). Mein Sohn! Ferdinand. Mein Vater! Alba. Die FÃ?rsten kommen bald, Oranien und Egmont kommen. Es ist nicht MiÃ?trauen, daÃ? ich dir erst jetzt entdecke, was geschehen soll. Sie werden nicht wieder von hinnen gehn. Ferdinand. Was sinnst du? Alba. Es ist beschlossen, sie festzuhalten. - Du erstaunst! Was du zu tun hast, hÃre; die Ursachen sollst du wissen, wenn es geschehn ist. Jetzt bleibt keine Zeit, sie auszulegen. Mit dir allein wÃ?nscht' ich das GrÃÃ?te, das Geheimste zu besprechen; ein starkes Band hÃ?lt uns zusammengefesselt; du bist mir wert und lieb; auf dich mÃcht' ich alles hÃ?ufen. Nicht die Gewohnheit zu gehorchen allein mÃcht' ich dir einprÃ?gen; auch den Sinn, auszudenken, zu befehlen, auszufÃ?hren, wÃ?nscht' ich in dir fortzupflanzen; dir ein groÃ?es Erbteil, dem KÃnige den brauchbarsten Diener zu hinterlassen; dich mit dem Besten, was ich habe, auszustatten, daÃ? du dich nicht schÃ?men dÃ?rfest, unter deine BrÃ?der zu treten. Ferdinand. Was werd ich dir nicht fÃ?r diese Liebe schuldig, die du mir allein zuwendest, indem ein ganzes Reich vor dir zittert! Alba. Nun hÃre, was zu tun ist. Sobald die FÃ?rsten eingetreten sind, wird jeder Zugang zum Palaste besetzt. Dazu hat Gomez die Ordre. Silva wird eilen, Egmonts Schreiber mit den VerdÃ?chtigsten gefangenzunehmen. Du hÃ?ltst die Wache am Tore und in den HÃfen in Ordnung. Vor allen Dingen besetze diese Zimmer hier neben mit den sichersten Leuten; dann warte auf der Galerie, bis Silva wiederkommt, und bringe mir irgendein unbedeutend Blatt herein, zum Zeichen, daÃ? sein Auftrag ausgerichtet ist. Dann bleib im Vorsaale, bis Oranien weggeht; folg ihm; ich halte Egmont hier, als ob ich ihm noch was zu sagen hÃ?tte. Am Ende der Galerie fordre Oraniens Degen, rufe die Wache an, verwahre schnell den gefÃ?hrlichsten Mann; und ich fasse Egmont hier. Ferdinand. Ich gehorche, mein Vater. Zum erstenmal mit schwerem Herzen und mit Sorge. Alba. Ich verzeihe dir's; es ist der erste groÃ?e Tag, den du erlebst. (Silva tritt herein.) Silva. Ein Bote von Antwerpen. Hier ist Oraniens Brief! Er kommt nicht. Alba. Sagt' es der Bote? Silva. Nein, mir sagt's das Herz. Alba. Aus dir spricht mein bÃser Genius. (Nachdem er den Brief gelesen, winkt er beiden, und sie ziehen sich in die Galerie zurÃ?ck. Er bleibt allein auf dem Vorderteile.) Er kommt nicht! Bis auf den letzten Augenblick verschiebt er, sich zu erklÃ?ren. Er wagt es, nicht zu kommen! So war denn diesmal wider Vermuten der Kluge klug genug, nicht klug zu sein! - Es rÃ?ckt die Uhr! Noch einen kleinen Weg des Seigers, und ein groÃ?es Werk ist getan oder versÃ?umt, unwiederbringlich versÃ?umt; denn es ist weder nachzuholen, noch zu verheimlichen. LÃ?ngst hatt' ich alles reiflich abgewogen, und mir auch diesen Fall gedacht, mir festgesetzt, was auch in diesem Falle zu tun sei; und jetzt, da es zu tun ist, wehr ich mir kaum, daÃ? nicht das FÃ?r und Wider mir aufs neue durch die Seele schwankt. - Ist's rÃ?tlich, die andern zu fangen, wenn er mir entgeht? Schieb ich es auf und laÃ? Egmont mit den Seinigen, mit so vielen entschlÃ?pfen, die nun, vielleicht nur heute noch, in meinen HÃ?nden sind? So zwingt dich das Geschick denn auch, du Unbezwinglicher? Wie lang gedacht! Wie wohl bereitet! Wie groÃ?, wie schÃn der Plan! Wie nah die Hoffnung ihrem Ziele! und nun im Augenblick des Entscheidens bist du zwischen zwei Ã?bel gestellt; wie in einen Lostopf greifst du in die dunkle Zukunft; was du fassest, ist noch zugerollt, dir unbewuÃ?t, sei's Treffer oder Fehler! (Er wird aufmerksam, wie einer, der etwas hÃrt, und tritt ans Fenster.) Er ist es! Egmont! - Trug dich dein Pferd so leicht herein und scheute vor dem Blutgeruche nicht und vor dem Geiste mit dem blanken Schwert, der an der Pforte dich empfÃ?ngt? - Steig ab! - So bist du mit dem einen FuÃ? im Grab! und so mit beiden! - ja streichl' es nur und klopfe fÃ?r seinen mutigen Dienst zum letztenmale den Nacken ihm - Und mir bleibt keine Wahl. In der Verblendung, wie hier Egmont naht, kann er dir nicht zum zweitenmal sich liefern! - HÃrt! (Ferdinand und Silva treten eilig herbei.) Alba. Ihr tut, was ich befahl; ich Ã?ndre meinen Willen nicht. Ich halte, wie es gehn will, Egmont auf, bis du mir von Silva die Nachricht gebracht hast. Dann bleib in der NÃ?he. Auch dir raubt das Geschick das groÃ?e Verdienst, des KÃnigs grÃÃ?ten Feind mit eigener Hand gefangen zu haben. (Zu Silva.) Eile! (Zu Ferdinand.) Geh ihm entgegen. (Alba bleibt einige Augenblicke allein und geht schweigend auf und ab.) (Egmont tritt auf.) Egmont. Ich komme, die Befehle des KÃnigs zu vernehmen, zu hÃren, welchen Dienst er von unserer Treue verlangt, die ihm ewig ergeben bleibt. Alba. Er wÃ?nscht vor allen Dingen Euern Rat zu hÃren. Egmont. Ã?ber welchen Gegenstand? Kommt Oranien auch? Ich vermutete ihn hier. Alba. Mir tut es leid, daÃ? er uns eben in dieser wichtigen Stunde fehlt. Euern Rat, Eure Meinung wÃ?nscht der KÃnig, wie diese Staaten wieder zu befriedigen. Ja, er hofft, Ihr werdet krÃ?ftig mitwirken, diese Unruhen zu stillen und die Ordnung der Provinzen vÃllig und dauerhaft zu grÃ?nden. Egmont. Ihr kÃnnt besser wissen als ich, daÃ? schon alles genug beruhigt ist, ja, noch mehr beruhigt war, eh die Erscheinung der neuen Soldaten wieder mit Furcht und Sorge die GemÃ?ter bewegte. Alba. Ihr scheint andeuten zu wollen, das RÃ?tlichste sei gewesen, wenn der KÃnig mich gar nicht in den Fall gesetzt hÃ?tte, Euch zu fragen. Egmont. Verzeiht! Ob der KÃnig das Heer hÃ?tte schicken sollen, ob nicht vielmehr die Macht seiner majestÃ?tischen Gegenwart allein stÃ?rker gewirkt hÃ?tte, ist meine Sache nicht zu beurteilen. Das Heer ist da, er nicht. Wir aber mÃ?Ã?ten sehr undankbar, sehr vergessen sein, wenn wir uns nicht erinnerten, was wir der Regentin schuldig sind. Bekennen wir! Sie brachte durch ihr so kluges als tapferes Betragen die AufrÃ?hrer mit Gewalt und Ansehn, mit Ã?berredung und List zur Ruhe und fÃ?hrte zum Erstaunen der Welt ein rebellisches Volk in wenigen Monaten zu seiner Pflicht zurÃ?ck. Alba. Ich leugne es nicht. Der Tumult ist gestillt, und jeder scheint in die Grenzen des Gehorsams zurÃ?ckgebannt. Aber hÃ?ngt es nicht von eines jeden WillkÃ?r ab, sie zu verlassen? Wer will das Volk hindern loszubrechen? Wo ist die Macht, sie abzuhalten? Wer bÃ?rgt uns, daÃ? sie sich ferner treu und untertÃ?nig zeigen werden? Ihr guter Wille ist alles Pfand, das wir haben. Egmont. Und ist der gute Wille eines Volks nicht das sicherste, das edelste Pfand? Bei Gott! Wann darf sich ein KÃnig sicherer halten, als wenn sie alle fÃ?r einen, einer fÃ?r alle stehn? Sicherer gegen innere und Ã?uÃ?ere Feinde? Alba. Wir werden uns doch nicht Ã?berreden sollen, daÃ? es jetzt hier so steht? Egmont. Der KÃnig schreibe einen Generalpardon aus, er beruhige die GemÃ?ter; und bald wird man sehen, wie Treue und Liebe mit dem Zutrauen wieder zurÃ?ckkehrt. Alba. Und jeder, der die MajestÃ?t des KÃnigs, der das Heiligtum der Religion geschÃ?ndet, ginge frei und ledig hin und wider! lebte den andern zum bereiten Beispiel, daÃ? ungeheure Verbrechen straflos sind? Egmont. Und ist ein Verbrechen des Unsinns, der Trunkenheit nicht eher zu entschuldigen, als grausam zu bestrafen? Besonders wo so sichre Hoffnung, wo GewiÃ?heit ist, daÃ? die Ã?bel nicht wiederkehren werden? Waren KÃnige darum nicht sicherer? Werden sie nicht von Welt und Nachwelt gepriesen, die eine Beleidigung ihrer WÃ?rde vergeben, bedauern, verachten konnten? Werden sie nicht eben deswegen Gott gleich gehalten, der viel zu groÃ? ist, als daÃ? an ihn jede LÃ?sterung reichen sollte? Alba. Und eben darum soll der KÃnig fÃ?r die WÃ?rde Gottes und der Religion, wir sollen fÃ?r das Ansehn des KÃnigs streiten. Was der obere abzulehnen verschmÃ?ht, ist unsere Pflicht zu rÃ?chen. Ungestraft soll, wenn ich rate, kein Schuldiger sich freuen. Egmont. Glaubst du, daÃ? du sie alle erreichen wirst? HÃrt man nicht tÃ?glich, daÃ? die Furcht sie hie- und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die Reichsten werden ihre GÃ?ter, sich, ihre Kinder und Freunde flÃ?chten; der Arme wird seine nÃ?tzlichen HÃ?nde dem Nachbar zubringen. Alba. Sie werden, wenn man sie nicht verhindern kann. Darum verlangt der KÃnig Rat und Tat von jedem FÃ?rsten, Ernst von jedem Statthalter; nicht nur ErzÃ?hlung, wie es ist, was werden kÃnnte, wenn man alles gehen lieÃ?e, wie's geht. Einem groÃ?en Ã?bel zusehen, sich mit Hoffnung schmeicheln, der Zeit vertrauen, etwa einmal dreinschlagen, wie im Fastnachtsspiel, daÃ? es klatscht und man doch etwas zu tun scheint, wenn man nichts tun mÃchte, heiÃ?t das nicht, sich verdÃ?chtig machen, als sehe man dem Aufruhr mit VergnÃ?gen zu, den man nicht erregen, wohl aber hegen mÃchte! Egmont (im Begriff aufzufahren, nimmt sich zusammen und spricht nach einer kleinen Pause gesetzt). Nicht jede Absicht ist offenbar, und manches Mannes Absicht ist zu miÃ?deuten. MuÃ? man doch auch von allen Seiten hÃren: es sei des KÃnigs Absicht weniger, die Provinzen nach einfÃrmigen und klaren Gesetzen zu regieren, die MajestÃ?t der Religion zu sichern und einen allgemeinen Frieden seinem Volke zu geben, als vielmehr sie unbedingt zu unterjochen, sie ihrer alten Rechte zu berauben, sich Meister von ihren BesitztÃ?mern zu machen, die schÃnen Rechte des Adels einzuschrÃ?nken, um derentwillen der Edle allein ihm dienen, ihm Leib und Leben widmen mag. Die Religion, sagt man, sei nur ein prÃ?chtiger Teppich, hinter dem man jeden gefÃ?hrlichen Anschlag nur desto leichter ausdenkt. Das Volk liegt auf den Knien, betet die heiligen gewirkten Zeichen an, und hinten lauscht der Vogelsteller, der sie berÃ?cken will. Alba. Das muÃ? ich von dir hÃren? Egmont. Nicht meine Gesinnungen! Nur was bald hier bald da, von GroÃ?en und von Kleinen, Klugen und Toren gesprochen, laut verbreitet wird. Die NiederlÃ?nder fÃ?rchten ein doppeltes Joch, und wer bÃ?rgt ihnen fÃ?r ihre Freiheit? Alba. Freiheit? Ein schÃnes Wort, wer's recht verstÃ?nde. Was wollen sie fÃ?r Freiheit? Was ist des Freiesten Freiheit? - Recht zu tun! - und daran wird sie der KÃnig nicht hindern. Nein! nein! sie glauben sich nicht frei, wenn sie sich nicht selbst und andern schaden kÃnnen. WÃ?re es nicht besser, abzudanken, als ein solches Volk zu regieren? Wenn auswÃ?rtige Feinde drÃ?ngen, an die kein BÃ?rger denkt, der mit dem NÃ?chsten nur beschÃ?ftigt ist, und der KÃnig verlangt Beistand: dann werden sie uneins unter sich, und verschwÃren sich gleichsam mit ihren Feinden. Weit besser ist's, sie einzuengen, daÃ? man sie wie Kinder halten, wie Kinder zu ihrem Besten leiten kann. Glaube nur, ein Volk wird nicht alt, nicht klug; ein Volk bleibt immer kindisch. Egmont. Wie selten kommt ein KÃnig zu Verstand! Und sollen sich viele nicht lieber vielen vertrauen als einem? und nicht einmal dem einen, sondern den wenigen des einen, dem Volke, das an den Blicken seines Herrn altert. Das hat wohl allein das Recht, klug zu werden. Alba. Vielleicht eben darum, weil es sich nicht selbst Ã?berlassen ist. Egmont. Und darum niemand gern sich selbst Ã?berlassen mÃchte. Man tue, was man will; ich habe auf deine Frage geantwortet und wiederhole: Es geht nicht! Es kann nicht gehen! Ich kenne meine Landsleute. Es sind MÃ?nner, wert, Gottes Boden zu betreten; ein jeder rund fÃ?r sich, ein kleiner KÃnig, fest, rÃ?hrig, fÃ?hig, treu, an alten Sitten hangend. Schwer ist's, ihr Zutrauen zu verdienen; leicht, zu erhalten. Starr und fest! Zu drÃ?cken sind sie; nicht zu unterdrÃ?cken. Alba (der sich indes einigemal umgesehen hat). Solltest du das alles in des KÃnigs Gegenwart wiederholen? Egmont. Desto schlimmer, wenn mich seine Gegenwart abschreckte! Desto besser fÃ?r ihn, fÃ?r sein Volk, wenn er mir Mut machte, wenn er mir Zutrauen einflÃÃ?te, noch weit mehr zu sagen. Alba. Was nÃ?tzlich ist, kann ich hÃren wie er. Egmont. Ich wÃ?rde ihm sagen: Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor sich hintreiben, der Stier zieht seinen Pflug ohne Widerstand; aber dem edeln Pferde, das du reiten willst, muÃ?t du seine Gedanken ablernen, du muÃ?t nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen. Darum wÃ?nscht der BÃ?rger seine alte Verfassung zu behalten, von seinen Landsleuten regiert zu sein, weil er weiÃ?, wie er gefÃ?hrt wird, weil er von ihnen Uneigennutz, Teilnehmung an seinem Schicksal hoffen kann. Alba. Und sollte der Regent nicht Macht haben, dieses alte Herkommen zu verÃ?ndern? und sollte nicht eben dies sein schÃnstes Vorrecht sein? Was ist bleibend auf dieser Welt? und sollte eine Staatseinrichtung bleiben kÃnnen? MuÃ? nicht in einer Zeitfolge jedes VerhÃ?ltnis sich verÃ?ndern und eben darum eine alte Verfassung die Ursache von tausend Ã?beln werden, weil sie den gegenwÃ?rtigen Zustand des Volkes nicht umfaÃ?t? Ich fÃ?rchte, diese alten Rechte sind darum so angenehm, weil sie Schlupfwinkel bilden, in welchen der Kluge, der MÃ?chtige, zum Schaden des Volks, zum Schaden des Ganzen, sich verbergen oder durchschleichen kann. Egmont. Und diese willkÃ?rlichen VerÃ?nderungen, diese unbeschrÃ?nkten Eingriffe der hÃchsten Gewalt, sind sie nicht Vorboten, daÃ? einer tun will, was Tausende nicht tun sollen? Er will sich allein frei machen, um jeden seiner WÃ?nsche befriedigen, jeden seiner Gedanken ausfÃ?hren zu kÃnnen. Und wenn wir uns ihm, einem guten weisen KÃnige, ganz vertrauten, sagt er uns fÃ?r seine Nachkommen gut? daÃ? keiner ohne RÃ?cksicht, ohne Schonung regieren werde? Wer rettet uns alsdann von vÃlliger WillkÃ?r, wenn er uns seine Diener, seine NÃ?chsten sendet, die ohne Kenntnis des Landes und seiner BedÃ?rfnisse nach Belieben schalten und walten, keinen Widerstand finden und sich von jeder Verantwortung frei wissen. Alba (der sich indes wieder umgesehen hat). Es ist nichts natÃ?rlicher, als daÃ? ein KÃnig durch sich zu herrschen gedenkt und denen seine Befehle am liebsten auftrÃ?gt, die ihn am besten verstehen, verstehen wollen, die seinen Willen unbedingt ausrichten. Egmont. Und ebenso natÃ?rlich ist's, daÃ? der BÃ?rger von dem regiert sein will, der mit ihm geboren und erzogen ist, der gleichen Begriff mit ihm von Recht und Unrecht gefaÃ?t hat, den er als seinen Bruder ansehen kann. Alba. Und doch hat der Adel mit diesen seinen BrÃ?dern sehr ungleich geteilt. Egmont. Das ist vor Jahrhunderten geschehen und wird jetzt ohne Neid geduldet. WÃ?rden aber neue Menschen ohne Not gesendet, die sich zum zweitenmale auf Unkosten der Nation bereichern wollten, sÃ?he man sich einer strengen, kÃ?hnen, unbedingten Habsucht ausgesetzt; das wÃ?rde eine GÃ?rung machen, die sich nicht leicht in sich selbst auflÃste. Alba. Du sagst mir, was ich nicht hÃren sollte: auch ich bin fremd. Egmont. DaÃ? ich dir's sage, zeigt dir, daÃ? ich dich nicht meine. Alba. Und auch so wÃ?nscht' ich es nicht von dir zu hÃren. Der KÃnig sandte mich mit Hoffnung, daÃ? ich hier den Beistand des Adels finden wÃ?rde. Der KÃnig will seinen Willen. Der KÃnig hat nach tiefer Ã?berlegung gesehen, was dem Volke frommt; es kann nicht bleiben und gehen wie bisher. Des KÃnigs Absicht ist, sie selbst zu ihrem eignen Besten einzuschrÃ?nken, ihr eigenes Heil, wenn's sein muÃ?, ihnen aufzudringen, die schÃ?dlichen BÃ?rger aufzuopfern, damit die Ã?brigen Ruhe finden, des GlÃ?cks einer weisen Regierung genieÃ?en kÃnnen. Dies ist sein EntschluÃ?; diesen dem Adel kundzumachen habe ich Befehl; und Rat verlang ich in seinem Namen, wie es zu tun sei, nicht was: denn das hat er beschlossen. Egmont. Leider rechtfertigen deine Worte die Furcht des Volkes, die allgemeine Furcht! So hat er denn beschlossen, was kein FÃ?rst beschlieÃ?en sollte. Die Kraft seines Volks, ihr GemÃ?t, den Begriff, den sie von sich selbst haben, will er schwÃ?chen, niederdrÃ?cken, zerstÃren, um sie bequem regieren zu kÃnnen. Er will den innern Kern ihrer Eigenheit verderben; gewiÃ? in der Absicht, sie glÃ?cklicher zu machen. Er will sie vernichten, damit sie etwas werden, ein ander Etwas. O wenn seine Absicht gut ist, so wird sie miÃ?geleitet! Nicht dem KÃnige widersetzt man sich; man stellt sich nur dem KÃnige entgegen, der einen falschen Weg zu wandeln, die ersten unglÃ?cklichen Schritte macht. Alba. Wie du gesinnt bist, scheint es ein vergeblicher Versuch, uns vereinigen zu wollen. Du denkst gering vom KÃnige und verÃ?chtlich von seinen RÃ?ten, wenn du zweifelst, das alles sei nicht schon gedacht, geprÃ?ft, gewogen worden. Ich habe keinen Auftrag, jedes FÃ?r und Wider noch einmal durchzugehen. Gehorsam fordre ich von dem Volke: - und von Euch, ihr Ersten, Edelsten, Rat und Tat, als BÃ?rgen dieser unbedingten Pflicht. Egmont. Fordre unsre HÃ?upter, so ist es auf einmal getan. Ob sich der Nacken diesem Joche biegen, ob er sich vor dem Beile ducken soll, kann einer edeln Seele gleich sein. Umsonst hab ich so viel gesprochen: die Luft hab ich erschÃ?ttert, weiter nichts gewonnen. (Ferdinand kommt.) Ferdinand. Verzeiht, daÃ? ich Euer GesprÃ?ch unterbreche. Hier ist ein Brief, dessen Ã?berbringer die Antwort dringend macht. Alba. Erlaubt mir, daÃ? ich sehe, was er enthÃ?lt. (Tritt an die Seite.) Ferdinand (zu Egmont). Es ist ein schÃnes Pferd, das Eure Leute gebracht haben, Euch abzuholen. Egmont. Es ist nicht das schlimmste. Ich hab es schon eine Weile; ich denk es wegzugeben. Wenn es Euch gefÃ?llt, so werden wir vielleicht des Handels einig. Ferdinand. Gut, wir wollen sehn. (Alba winkt seinem Sohne, der sich in den Grund zurÃ?ckzieht.) Egmont. Lebt wohl! EntlaÃ?t mich: denn ich wÃ?Ã?te, bei Gott! nicht mehr zu sagen. Alba. GlÃ?cklich hat dich der Zufall verhindert, deinen Sinn noch weiter zu verraten. Unvorsichtig entwickelst du die Falten deines Herzens und klagst dich selbst weit strenger an, als ein Widersacher gehÃ?ssig tun kÃnnte. Egmont. Dieser Vorwurf rÃ?hrt mich nicht; ich kenne mich selbst genug und weiÃ?, wie ich dem KÃnig angehÃre; weit mehr als viele, die in seinem Dienst sich selber dienen. Ungern scheid ich aus diesem Streite, ohne ihn beigelegt zu sehen, und wÃ?nsche nur, daÃ? uns der Dienst des Herrn, das Wohl des Landes bald vereinigen mÃge. Es wirkt vielleicht ein wiederholtes GesprÃ?ch, die Gegenwart der Ã?brigen FÃ?rsten, die heute fehlen, in einem glÃ?cklichern Augenblick, was heut unmÃglich scheint. Mit dieser Hoffnung entfern ich mich. Alba (der zugleich seinem Sohn Ferdinand ein Zeichen gibt). Halt, Egmont! - Deinen Degen! - (Die MitteltÃ?r Ãffnet sich: man sieht die Galerie mit Wache besetzt, die unbeweglich bleibt.) Egmont (der staunend eine Weile geschwiegen). Dies war die Absicht? Dazu hast du mich berufen? (Nach dem Degen greifend, als wenn er sich verteidigen wollte.) Bin ich denn wehrlos? Alba. Der KÃnig befiehlt's, du bist mein Gefangener. (Zugleich treten von beiden Seiten Gewaffnete herein.) Egmont (nach einer Stille). Der KÃnig? - Oranien! Oranien! (Nach einer Pause, seinen Degen hingebend.) So nimm ihn! Er hat weit Ãfter des KÃnigs Sache verteidigt, als diese Brust beschÃ?tzt. (Er geht durch die MitteltÃ?r ab: die Gewaffneten, die im Zimmer sind, folgen ihm; ingleichen Albas Sohn. Alba bleibt stehen. Der Vorhang fÃ?llt.) FÃ?nfter Aufzug StraÃ?e DÃ?mmerung KlÃ?rchen. Brackenburg. BÃ?rger. Brackenburg. Liebchen, um Gottes willen, was nimmst du vor? KlÃ?rchen. Komm mit, Brackenburg! Du muÃ?t die Menschen nicht kennen; wir befreien ihn gewiÃ?. Denn was gleicht ihrer Liebe zu ihm? Jeder fÃ?hlt, ich schwÃr es, in sich die brennende Begier, ihn zu retten, die Gefahr von einem kostbaren Leben abzuwenden und dem Freiesten die Freiheit wiederzugeben. Komm! Es fehlt nur an der Stimme, die sie zusammenruft. In ihrer Seele lebt noch ganz frisch, was sie ihm schuldig sind! und daÃ? sein mÃ?chtiger Arm allein von ihnen das Verderben abhÃ?lt, wissen sie. Um seinet- und ihretwillen mÃ?ssen sie alles wagen. Und was wagen wir? Zum hÃchsten unser Leben, das zu erhalten nicht der MÃ?he wert ist, wenn er umkommt. Brackenburg. UnglÃ?ckliche! du siehst nicht die Gewalt, die uns mit ehernen Banden gefesselt hat. KlÃ?rchen. Sie scheint mir nicht unÃ?berwindlich. LaÃ? uns nicht lang vergebliche Worte wechseln. Hier kommen von den alten, redlichen, wackern MÃ?nnern! HÃrt, Freunde! Nachbarn, hÃrt! - Sagt, wie ist es mit Egmont? Zimmermeister. Was will das Kind? LaÃ? sie schweigen, KlÃ?rchen. Tretet nÃ?her, daÃ? wir sachte reden, bis wir einig sind und stÃ?rker. Wir dÃ?rfen nicht einen Augenblick versÃ?umen! Die freche Tyrannei, die es wagt, ihn zu fesseln, zuckt schon den Dolch, ihn zu ermorden. O Freunde! mit jedem Schritt der DÃ?mmerung werd ich Ã?ngstlicher. Ich fÃ?rchte diese Nacht! Kommt! wir wollen uns teilen; mit schnellem Lauf von Quartier zu Quartier rufen wir die BÃ?rger heraus. Ein jeder greife zu seinen alten Waffen. Auf dem Markte treffen wir uns wieder, und unser Strom reiÃ?t einen jeden mit sich fort. Die Feinde sehen sich umringt und Ã?berschwemmt, und sind erdrÃ?ckt. Was kann uns eine Handvoll Knechte widerstehen? Und er in unsrer Mitte kehrt zurÃ?ck, sieht sich befreit und kann uns einmal danken, uns, die wir ihm so tief verschuldet worden. Er sieht vielleicht - gewiÃ? er sieht das Morgenrot am freien Himmel wieder. Zimmermeister. Wie ist dir, MÃ?dchen? KlÃ?rchen. KÃnnt ihr mich miÃ?verstehn? Vom Grafen sprech ich! Ich spreche von Egmont. Jetter. Nennt den Namen nicht! Er ist tÃdlich. KlÃ?rchen. Den Namen nicht! Wie? Nicht diesen Namen? Wer nennt ihn nicht bei jeder Gelegenheit? Wo steht er nicht geschrieben? In diesen Sternen hab ich oft mit allen seinen Lettern ihn gelesen. Nicht nennen? Was soll das? Freunde! Gute, teure Nachbarn, ihr trÃ?umt; besinnt euch. Seht mich nicht so starr und Ã?ngstlich an! Blickt nicht schÃ?chtern hie und da beiseite. Ich ruf euch ja nur zu, was jeder wÃ?nscht. Ist meine Stimme nicht eures Herzens eigne Stimme? Wer wÃ?rfe sich in dieser bangen Nacht, eh' er sein unruhvolles Bette besteigt, nicht auf die Knie, ihn mit ernstlichem Gebet vom Himmel zu erringen? Fragt euch einander! frage jeder sich selbst! und wer spricht mir nicht nach: Â'Egmonts Freiheit oder den Tod!Â' Jetter. Gott bewahr' uns! Da gibt's ein UnglÃ?ck. KlÃ?rchen. Bleibt! Bleibt, und drÃ?ckt euch nicht vor seinem Namen weg, dem ihr euch sonst so froh entgegendrÃ?ngtet! - Wenn der Ruf ihn ankÃ?ndigte, wenn es hieÃ?: Â'Egmont kommt! Er kommt von Gent!Â' da hielten die Bewohner der StraÃ?en sich glÃ?cklich, durch die er reiten muÃ?te. Und wenn ihr seine Pferde schallen hÃrtet, warf jeder seine Arbeit hin, und Ã?ber die bekÃ?mmerten Gesichter, die ihr durchs Fenster stecktet, fuhr wie ein Sonnenstrahl von seinem Angesichte ein Blick der Freude und Hoffnung. Da hobt ihr eure Kinder auf der TÃ?rschwelle in die HÃhe und deutetet ihnen: Â'Sieh, das ist Egmont, der GrÃÃ?te da! Er ist's! Er ist's, von dem ihr bessere Zeiten, als eure armen VÃ?ter lebten, einst zu erwarten habt.Â' LaÃ?t eure Kinder nicht dereinst euch fragen: Â'Wo ist er hin? Wo sind die Zeiten hin, die ihr verspracht?Â' - Und so wechseln wir Worte! sind mÃ?Ã?ig, verraten ihn. Soest. SchÃ?mt Euch, Brackenburg! LaÃ?t sie nicht gewÃ?hren! Steuert dem Unheil! Brackenburg. Liebes KlÃ?rchen! wir wollen gehen! Was wird die Mutter sagen? Vielleicht - KlÃ?rchen. Meinst du, ich sei ein Kind oder wahnsinnig? Was kann vielleicht? - Von dieser schrecklichen GewiÃ?heit bringst du mich mit keiner Hoffnung weg. - Ihr sollt mich hÃren und ihr werdet: denn ich seh's, ihr seid bestÃ?rzt und kÃnnt euch selbst in euerm Busen nicht wiederfinden. LaÃ?t durch die gegenwÃ?rtige Gefahr nur einen Blick in das Vergangene dringen, das kurz Vergangene. Wendet eure Gedanken nach der Zukunft. KÃnnt ihr denn leben? werdet ihr, wenn er zugrunde geht? Mit seinem Atem flieht der letzte Hauch der Freiheit. Was war er euch? FÃ?r wen Ã?bergab er sich der dringendsten Gefahr? Seine Wunden flossen und heilten nur fÃ?r euch. Die groÃ?e Seele, die euch alle trug, beschrÃ?nkt ein Kerker, und Schauer tÃ?ckischen Mordes schweben um sie her. Er denkt vielleicht an euch, er hofft auf euch, er, der nur zu geben, nur zu erfÃ?llen gewohnt war. Zimmermeister. Gevatter, kommt. KlÃ?rchen. Und ich habe nicht Arme, nicht Mark wie ihr; doch hab ich, was euch allen eben fehlt, Mut und Verachtung der Gefahr. KÃnnt' euch mein Atem doch entzÃ?nden! kÃnnt' ich an meinen Busen drÃ?ckend euch erwÃ?rmen und beleben! Kommt! In eurer Mitte will ich gehen! - Wie eine Fahne wehrlos ein edles Heer von Kriegern wehend anfÃ?hrt, so soll mein Geist um eure HÃ?upter flammen, und Liebe und Mut das schwankende zerstreute Volk zu einem fÃ?rchterlichen Heer vereinigen. Jetter. Schaff sie beiseite, sie dauert mich. (BÃ?rger ab.) Brackenburg. KlÃ?rchen! siehst du nicht, wo wir sind? KlÃ?rchen. Wo? Unter dem Himmel, der so oft sich herrlicher zu wÃlben schien, wenn der Edle unter ihm herging. Aus diesen Fenstern haben sie herausgesehn, vier, fÃ?nf KÃpfe Ã?bereinander; an diesen TÃ?ren haben sie gescharrt und genickt, wenn er auf die Memmen herabsah. O ich hatte sie so lieb, wie sie ihn ehrten! WÃ?re er Tyrann gewesen, mÃchten sie immer vor seinem Falle seitwÃ?rts gehn. Aber sie liebten ihn! - O ihr HÃ?nde, die ihr an die MÃ?tzen grifft, zum Schwert kÃnnt ihr nicht greifen - Brackenburg, und wir? - Schelten wir sie? - Diese Arme, die ihn so oft fest hielten, was tun sie fÃ?r ihn? - List hat in der Welt so viel erreicht - Du kennst Wege und Stege, kennst das alte SchloÃ?. Es ist nichts unmÃglich, gib mir einen Anschlag. Brackenburg. Wenn wir nach Hause gingen! KlÃ?rchen. Gut. Brackenburg. Dort an der Ecke seh ich Albas Wache; laÃ? doch die Stimme der Vernunft dir zu Herzen dringen. HÃ?ltst du mich fÃ?r feig? Glaubst du nicht, daÃ? ich um deinetwillen sterben kÃnnte? Hier sind wir beide toll, ich so gut wie du. Siehst du nicht das UnmÃgliche? Wenn du dich faÃ?test! Du bist auÃ?er dir. KlÃ?rchen. AuÃ?er mir! Abscheulich! Brackenburg, ihr seid auÃ?er euch. Da ihr laut den Helden verehrtet, ihn Freund und Schutz und Hoffnung nanntet, ihm Vivat rieft, wenn er kam: da stand ich in meinem Winkel, schob das Fenster halb auf, verbarg mich lauschend, und das Herz schlug mir hÃher als euch allen. Jetzt schlÃ?gt mir's wieder hÃher als euch allen! Ihr verbergt euch, da es not ist, verleugnet ihn und fÃ?hlt nicht, daÃ? ihr untergeht, wenn er verdirbt. Brackenburg. Komm nach Hause. KlÃ?rchen. Nach Hause? Brackenburg. Besinne dich nur! Sieh dich um! Dies sind die StraÃ?en, die du nur sonntÃ?glich betratst, durch die du sittsam nach der Kirche gingst, wo du Ã?bertrieben ehrbar zÃ?rntest, wenn ich mit einem freundlichen grÃ?Ã?enden Wort mich zu dir gesellte. Du stehst und redest, handelst vor den Augen der offnen Welt; besinne dich, Liebe! wozu hilft es uns? KlÃ?rchen. Nach Hause! Ja, ich besinne mich. Komm, Brackenburg, nach Hause! WeiÃ?t du, wo meine Heimat ist? (Ab.) GefÃ?ngnis, durch eine Lampe erhellt, ein Ruhebett im Grunde Egmont (allein). Alter Freund! immer getreuer Schlaf, fliehst du mich auch wie die Ã?brigen Freunde? Wie willig senktest du dich auf mein freies Haupt herunter und kÃ?hltest wie ein schÃner Myrtenkranz der Liebe meine SchlÃ?fe! Mitten unter Waffen, auf der Woge des Lebens, ruht' ich leicht atmend, wie ein aufquellender Knabe, in deinen Armen. Wenn StÃ?rme durch Zweige und BlÃ?tter sausten, Ast und Wipfel sich knirrend bewegten, blieb innerst doch der Kern des Herzens ungeregt. Was schÃ?ttelt dich nun? was erschÃ?ttert den festen treuen Sinn? Ich fÃ?hl's, es ist der Klang der Mordaxt, die an meiner Wurzel nascht. Noch steh ich aufrecht, und ein innrer Schauer durchfÃ?hrt mich. Ja, sie Ã?berwindet, die verrÃ?terische Gewalt; sie untergrÃ?bt den festen hohen Stamm, und eh' die Rinde dorrt, stÃ?rzt krachend und zerschmetternd deine Krone. Warum denn jetzt, der du so oft gewalt'ge Sorgen gleich Seifenblasen dir vom Haupte weggewiesen, warum vermagst du nicht die Ahnung zu verscheuchen, die tausendfach in dir sich auf- und niedertreibt? Seit wann begegnet der Tod dir fÃ?rchterlich, mit dessen wechselnden Bildern, wie mit den Ã?brigen Gestalten der gewohnten Erde, du gelassen lebtest? - Auch ist er's nicht, der rasche Feind, dem die gesunde Brust wetteifernd sich entgegensehnt; der Kerker ist's, des Grabes Vorbild, dem Helden wie dem Feigen widerlich. Unleidlich ward mir's schon auf meinem gepolsterten Stuhle, wenn in stattlicher Versammlung die FÃ?rsten, was leicht zu entscheiden war, mit wiederkehrenden GesprÃ?chen Ã?berlegten, und zwischen dÃ?stern WÃ?nden eines Saals die Balken der Decke mich erdrÃ?ckten. Da eilt' ich fort, sobald es mÃglich war, und rasch aufs Pferd mit tiefem Atemzuge. Und frisch hinaus, da wo wir hingehÃren! ins Feld, wo aus der Erde dampfend jede nÃ?chste Wohltat der Natur und durch die Himmel wehend alle Segen der Gestirne uns umwittern; wo wir, dem erdgebornen Riesen gleich, von der BerÃ?hrung unsrer Mutter krÃ?ftiger uns in die HÃhe reiÃ?en; wo wir die Menschheit ganz und menschliche Begier in allen Adern fÃ?hlen; wo das Verlangen, vorzudringen, zu besiegen, zu erhaschen, seine Faust zu brauchen, zu besitzen, zu erobern, durch die Seele des jungen JÃ?gers glÃ?ht; wo der Soldat sein angebornes Recht auf alle Welt mit raschem Schritt sich anmaÃ?t und in fÃ?rchterlicher Freiheit wie ein Hagelwetter durch Wiese, Feld und Wald verderbend streicht und keine Grenzen kennt, die Menschenhand gezogen. Du bist nur Bild, Erinnerungstraum des GlÃ?cks, das ich so lang besessen; wo hat dich das Geschick verrÃ?terisch hingefÃ?hrt? Versagt es dir, den nie gescheuten Tod im Angesicht der Sonne rasch zu gÃnnen, um dir des Grabes Vorgeschmack im ekeln Moder zu bereiten? Wie haucht er mich aus diesen Steinen widrig an! Schon starrt das Leben, vor dem Ruhebette wie vor dem Grabe scheut der FuÃ?. - O Sorge! Sorge! die du vor der Zeit den Mord beginnst, laÃ? ab! - Seit wann ist Egmont denn allein, so ganz allein in dieser Welt? Dich macht der Zweifel hÃ?lflos, nicht das GlÃ?ck. Ist die Gerechtigkeit des KÃnigs, der du lebenslang vertrautest, ist der Regentin Freundschaft, die fast (du darfst es dir gestehn), fast Liebe war, sind sie auf einmal, wie ein glÃ?nzend Feuerbild der Nacht, verschwunden? und lassen dich allein auf dunkelm Pfad zurÃ?ck? Wird an der Spitze deiner Freunde Oranien nicht wagend sinnen? Wird nicht ein Volk sich sammeln und mit anschwellender Gewalt den alten Freund erretten? O haltet, Mauern, die ihr mich einschlieÃ?t, so vieler Geister wohlgemeintes DrÃ?ngen nicht von mir ab; und welcher Mut aus meinen Augen sonst sich Ã?ber sie ergoÃ?, der kehre nun aus ihren Herzen in meines wieder. O ja, sie rÃ?hren sich zu Tausenden! sie kommen! stehen mir zur Seite! Ihr frommer Wunsch eilt dringend zu dem Himmel, er bittet um ein Wunder. Und steigt zu meiner Rettung nicht ein Engel nieder, so seh ich sie nach Lanz und Schwertern greifen. Die Tore spalten sich, die Gitter springen, die Mauer stÃ?rzt von ihren HÃ?nden ein, und der Freiheit des einbrechenden Tages steigt Egmont frÃhlich entgegen. Wie manch bekannt Gesicht empfÃ?ngt mich jauchzend! Ach KlÃ?rchen, wÃ?rst du Mann; so sÃ?h' ich dich gewiÃ? auch hier zuerst und dankte dir, was einem KÃnige zu danken hart ist, Freiheit. KlÃ?rchens Haus KlÃ?rchen (kommt mit einer Lampe und einem Glas Wasser aus der Kammer; sie setzt das Glas auf den Tisch und tritt ans Fenster). Brackenburg? Seid Ihr's? Was hÃrt' ich denn? noch niemand? Es war niemand! Ich will die Lampe ins Fenster setzen, daÃ? er sieht, ich wache noch, ich warte noch auf ihn. Er hat mir Nachricht versprochen. Nachricht? Entsetzliche GewiÃ?heit! - Egmont verurteilt! - Welch Gericht darf ihn fordern? und sie verdammen ihn! Der KÃnig verdammt ihn? oder der Herzog? Und die Regentin entzieht sich! Oranien zaudert, und alle seine Freunde! - - Ist dies die Welt, von deren Wankelmut, UnzuverlÃ?ssigkeit ich viel gehÃrt und nichts empfunden habe? Ist dies die Welt? - Wer wÃ?re bÃs genug, den Teuern anzufeinden? WÃ?re Bosheit mÃ?chtig genug, den allgemein Erkannten schnell zu stÃ?rzen? Doch ist es so - es ist - O Egmont, sicher hielt ich dich vor Gott und Menschen, wie in meinen Armen! Was war ich dir? Du hast mich dein genannt, mein ganzes Leben widmete ich deinem Leben. - Was bin ich nun? Vergebens streck ich nach der Schlinge, die dich faÃ?t, die Hand aus. Du hÃ?lflos und ich frei! - Hier ist der SchlÃ?ssel zu meiner TÃ?r. An meiner WillkÃ?r hÃ?ngt mein Gehen und mein Kommen, und dir bin ich zu nichts! - - O bindet mich, damit ich nicht verzweifle; und werft mich in den tiefsten Kerker, daÃ? ich das Haupt an feuchte Mauern schlage, nach Freiheit winsle, trÃ?ume, wie ich ihm helfen wollte, wenn Fesseln mich nicht lÃ?hmten, wie ich ihm helfen wÃ?rde. - Nun bin ich frei, und in der Freiheit liegt die Angst der Ohnmacht. - Mir selbst bewuÃ?t, nicht fÃ?hig, ein Glied nach seiner HÃ?lfe zu rÃ?hren. Ach leider, auch der kleine Teil von deinem Wesen, dein KlÃ?rchen, ist wie du gefangen und regt getrennt im Todeskrampfe nur die letzten KrÃ?fte. - Ich hÃre schleichen, husten - Brackenburg - er ist's! - Elender guter Mann, dein Schicksal bleibt sich immer gleich; dein Liebchen Ãffnet dir die nÃ?chtliche TÃ?r, und ach zu welch unseliger Zusammenkunft! (Brackenburg tritt auf.) KlÃ?rchen. Du kommst so bleich und schÃ?chtern, Brackenburg! was ist's? Brackenburg. Durch Umwege und Gefahren such ich dich auf. Die groÃ?en StraÃ?en sind besetzt; durch GÃ?Ã?chen und durch Winkel hab ich mich zu dir gestohlen. KlÃ?rchen. ErzÃ?hl, wie ist's? Brackenburg (indem er sich setzt). Ach KlÃ?re, laÃ? mich weinen. Ich liebt' ihn nicht. Er war der reiche Mann und lockte des Armen einziges Schaf zur bessern Weide herÃ?ber. Ich hab ihn nie verflucht; Gott hat mich treu geschaffen und weich. In Schmerzen floÃ? mein Leben vor mir nieder, und zu verschmachten hofft' ich jeden Tag. KlÃ?rchen. VergiÃ? das, Brackenburg! VergiÃ? dich selbst. Sprich mir von ihm! Ist's wahr? Ist er verurteilt? Brackenburg. Er ist's! ich weiÃ? es ganz genau. KlÃ?rchen. Und lebt noch? Brackenburg. Ja, er lebt noch. KlÃ?rchen. Wie willst du das versichern? - Die Tyrannei ermordet in der Nacht den Herrlichen! vor allen Augen verborgen flieÃ?t sein Blut. Ã'ngstlich im Schlafe liegt das betÃ?ubte Volk und trÃ?umt von Rettung, trÃ?umt ihres ohnmÃ?chtigen Wunsches ErfÃ?llung; indes unwillig Ã?ber uns sein Geist die Welt verlÃ?Ã?t. Er ist dahin! - TÃ?usche mich nicht! dich nicht! Brackenburg. Nein gewiÃ?, er lebt! - Und leider, es bereitet der Spanier dem Volke, das er zertreten will, ein fÃ?rchterliches Schauspiel, gewaltsam jedes Herz, das nach der Freiheit sich regt, auf ewig zu zerknirschen. KlÃ?rchen. Fahre fort und sprich gelassen auch mein Todesurteil aus! Ich wandle den seligen Gefilden schon nÃ?her und nÃ?her, mir weht der Trost aus jenen Gegenden des Friedens schon herÃ?ber. Sag an. Brackenburg. Ich konnt' es an den Wachen merken, aus Reden, die bald da bald dorten fielen, daÃ? auf dem Markte geheimnisvoll ein Schrecknis zubereitet werde. Ich schlich durch Seitenwege, durch bekannte GÃ?nge nach meines Vettern Hause und sah aus einem Hinterfenster nach dem Markte. - Es wehten Fackeln in einem weiten Kreise spanischer Soldaten hin und wider. Ich schÃ?rfte mein ungewohntes Auge, und aus der Nacht stieg mir ein schwarzes GerÃ?st entgegen, gerÃ?umig hoch; mir grauste vor dem Anblick. GeschÃ?ftig waren viele rings umher bemÃ?ht, was noch von Holzwerk weiÃ? und sichtbar war, mit schwarzem Tuch einhÃ?llend zu verkleiden. Die Treppen deckten sie zuletzt auch schwarz, ich sah es wohl. Sie schienen die Weihe eines grÃ?Ã?lichen Opfers vorbereitend zu begehn. Ein weiÃ?es Kruzifix, das durch die Nacht wie Silber blinkte, ward an der einen Seite hoch aufgesteckt. Ich sah, und sah die schreckliche GewiÃ?heit immer gewisser. Noch wankten Fackeln hie und da herum; allmÃ?hlich wichen sie und erloschen. Auf einmal war die scheuÃ?liche Geburt der Nacht in ihrer Mutter SchoÃ? zurÃ?ckgekehrt. KlÃ?rchen. Still, Brackenburg! Nun still! LaÃ? diese HÃ?lle auf meiner Seele ruhn. Verschwunden sind die Gespenster, und du, holde Nacht, leih deinen Mantel der Erde, die in sich gÃ?rt; sie trÃ?gt nicht lÃ?nger die abscheuliche Last, reiÃ?t ihre tiefen Spalten grausend auf und knirscht das MordgerÃ?st hinunter. Und irgendeinen Engel sendet der Gott, den sie zum Zeugen ihrer Wut geschÃ?ndet; vor des Boten heiliger BerÃ?hrung lÃsen sich Riegel und Bande, und er umgieÃ?t den Freund mit mildem Schimmer; er fÃ?hrt ihn durch die Nacht zur Freiheit sanft und still. Und auch mein Weg geht heimlich in dieser Dunkelheit, ihm zu begegnen. Brackenburg (sie aufhaltend). Mein Kind, wohin? was wagst du? KlÃ?rchen. Leise, Lieber, daÃ? niemand erwache! daÃ? wir uns selbst nicht wecken! Kennst du dies FlÃ?schchen, Brackenburg? Ich nahm dir's scherzend, als du mit Ã?bereiltem Tod oft ungeduldig drohtest. - Und nun, mein Freund - Brackenburg. In aller Heiligen Namen! - KlÃ?rchen. Du hinderst nichts. Tod ist mein Teil! und gÃnne mir den sanften schnellen Tod, den du dir selbst bereitetest. Gib mir deine Hand! - Im Augenblick, da ich die dunkle Pforte erÃffne, aus der kein RÃ?ckweg ist, kÃnnt' ich mit diesem HÃ?ndedruck dir sagen, wie sehr ich dich geliebt, wie sehr ich dich bejammert. Mein Bruder starb mir jung; dich wÃ?hlt' ich, seine Stelle zu ersetzen. Es widersprach dein Herz und quÃ?lte sich und mich, verlangtest heiÃ? und immer heiÃ?er, was dir nicht beschieden war. Vergib mir und leb wohl! LaÃ? mich dich Bruder nennen! Es ist ein Name, der viel Namen in sich faÃ?t. Nimm die letzte schÃne Blume der Scheidenden mit treuem Herzen ab - nimm diesen KuÃ? - Der Tod vereinigt alles, Brackenburg, uns denn auch. Brackenburg. So laÃ? mich mit dir sterben! Teile! Teile! Es ist genug, zwei Leben auszulÃschen. KlÃ?rchen. Bleib! du sollst leben, du kannst leben. - Steh meiner Mutter bei, die ohne dich in Armut sich verzehren wÃ?rde. Sei ihr, was ich ihr nicht mehr sein kann; lebt zusammen und beweint mich. Beweint das Vaterland und den, der es allein erhalten konnte. Das heutige Geschlecht wird diesen Jammer nicht los; die Wut der Rache selbst vermag ihn nicht zu tilgen. Lebt, ihr Armen, die Zeit noch hin, die keine Zeit mehr ist. Heut steht die Welt auf einmal still; es stockt ihr Kreislauf, und mein Puls schlÃ?gt kaum noch wenige Minuten. Leb wohl! Brackenburg. O lebe du mit uns, wie wir fÃ?r dich allein! Du tÃtest uns in dir, o leb und leide. Wir wollen unzertrennlich dir zu beiden Seiten stehn, und immer achtsam soll die Liebe den schÃnsten Trost in ihren lebendigen Armen dir bereiten. Sei unser! Unser! Ich darf nicht sagen: mein. KlÃ?rchen. Leise, Brackenburg! Du fÃ?hlst nicht, was du rÃ?hrst. Wo Hoffnung dir erscheint, ist mir Verzweiflung. Brackenburg. Teile mit den Lebendigen die Hoffnung! Verweil am Rande des Abgrundes, schau hinab und sieh auf uns zurÃ?ck. KlÃ?rchen. Ich hab Ã?berwunden, ruf mich nicht wieder zum Streit. Brackenburg. Du bist betÃ?ubt; gehÃ?llt in Nacht suchst du die Tiefe. Noch ist nicht jedes Licht erloschen, noch mancher Tag! - KlÃ?rchen. Weh! Ã?ber dich Weh! Weh! Grausam zerreiÃ?est du den Vorhang vor meinem Auge. Ja, er wird grauen, der Tag! vergebens alle Nebel um sich ziehn und wider Willen grauen! Furchtsam schaut der BÃ?rger aus seinem Fenster, die Nacht lÃ?Ã?t einen schwarzen Flecken zurÃ?ck; er schaut, und fÃ?rchterlich wÃ?chst im Lichte das MordgerÃ?st. Neu leidend wendet das entweihte Gottesbild sein flehend Auge zum Vater auf. Die Sonne wagt sich nicht hervor; sie will die Stunde nicht bezeichnen, in der er sterben soll. TrÃ?ge gehn die Zeiger ihren Weg, und eine Stunde nach der andern schlÃ?gt. Halt! Halt! Nun ist es Zeit! mich scheucht des Morgens Ahnung in das Grab. (Sie tritt ans Fenster, als sÃ?he sie sich um, und trinkt heimlich.) Brackenburg. KlÃ?re! KlÃ?re! KlÃ?rchen (geht nach dem Tisch und trinkt das Wasser). Hier ist der Rest! Ich locke dich nicht nach. Tu, was du darfst, leb wohl. LÃsche diese Lampe still und ohne Zaudern, ich geh zur Ruhe. Schleiche dich sachte weg, ziehe die TÃ?r nach dir zu. Still! Wecke meine Mutter nicht! Geh, rette dich! Rette dich! wenn du nicht mein MÃrder scheinen willst. (Ab.) Brackenburg. Sie lÃ?Ã?t mich zum letztenmale wie immer. O kÃnnte eine Menschenseele fÃ?hlen, wie sie ein liebend Herz zerreiÃ?en kann. Sie lÃ?Ã?t mich stehn, mir selber Ã?berlassen; und Tod und Leben ist mir gleich verhaÃ?t. - Allein zu sterben! - Weint, ihr Liebenden! Kein hÃ?rter Schicksal ist als meins! Sie teilt mit mir den Todestropfen und schickt mich weg! von ihrer Seite weg! sie zieht mich nach und stÃÃ?t ins Leben mich zurÃ?ck. O Egmont, welch preiswÃ?rdig Los fÃ?llt dir! Sie geht voran; der Kranz des Siegs aus ihrer Hand ist dein, sie bringt den ganzen Himmel dir entgegen! - Und soll ich folgen? wieder seitwÃ?rts stehn? den unauslÃschlichen Neid in jene Wohnungen hinÃ?bertragen? - Auf Erden ist kein Bleiben mehr fÃ?r mich, und HÃll und Himmel bieten gleiche Qual. Wie wÃ?re der Vernichtung Schreckenshand dem UnglÃ?ckseligen will kommen! (Brackenburg geht ab; das Theater bleibt einige Zeit unverÃ?ndert. Eine Musik, KlÃ?rchens Tod bezeichnend, beginnt; die Lampe, welche Brackenburg auszulÃschen vergessen, flammt noch einigemal auf, dann erlischt sie. Bald verwandelt sich der Schauplatz in das GefÃ?ngnis Egmont liegt schlafend auf dem Ruhebette. Es entsteht ein Gerassel mit SchlÃ?sseln, und die TÃ?r tut sich auf. Diener mit Fackeln treten herein; ihnen folgt Ferdinand, Albas Sohn, und Silva, begleitet von Gewaffneten. Egmont fÃ?hrt aus dem Schlaf auf.) Egmont. Wer seid ihr? die ihr mir unfreundlich den Schlaf von den Augen schÃ?ttelt. Was kÃ?nden eure trotzigen, unsichern Blicke mir an? Warum diesen fÃ?rchterlichen Aufzug? Welchen Schreckenstraum kommt ihr der halb erwachten Seele vorzulÃ?gen? Silva. Uns schickt der Herzog, dir dein Urteil anzukÃ?ndigen. Egmont. Bringst du den Henker auch mit, es zu vollziehen? Silva. Vernimm es, so wirst du wissen, was deiner wartet. Egmont. So ziemt es euch und euerm schÃ?ndlichen Beginnen! In Nacht gebrÃ?tet und in Nacht vollfÃ?hrt. So mag diese freche Tat der Ungerechtigkeit sich verbergen! - Tritt kÃ?hn hervor, der du das Schwert verhÃ?llt unter dem Mantel trÃ?gst; hier ist mein Haupt, das freieste, das je die Tyrannei vom Rumpf gerissen. Silva. Du irrst! Was gerechte Richter beschlieÃ?en, werden sie vorm Angesicht des Tages nicht verbergen. Egmont. So Ã?bersteigt die Frechheit jeden Begriff und Gedanken. Silva (nimmt einem Dabeistehenden das Urteil ab, entfaltet's und liest's). Â'Im Namen des KÃnigs, und kraft besonderer von Seiner MajestÃ?t uns Ã?bertragenen Gewalt, alle seine Untertanen, wes Standes sie seien, zugleich die Ritter des Goldnen Vlieses zu richten, erkennen wirÂ' - Egmont. Kann die der KÃnig Ã?bertragen? Silva. Â'Erkennen wir, nach vorgÃ?ngiger genauer, gesetzlicher Untersuchung, dich Heinrich Grafen Egmont, Prinzen von Gaure, des Hochverrats schuldig und sprechen das Urteil: daÃ? du mit der FrÃ?he des einbrechenden Morgens aus dem Kerker auf den Markt gefÃ?hrt und dort, vorm Angesicht des Volks, zur Warnung aller VerrÃ?ter mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht werden sollest. Gegeben BrÃ?ssel imÂ' (Datum und Jahrzahl werden undeutlich gelesen, so, daÃ? sie der ZuhÃrer nicht versteht.) Â'Ferdinand, Herzog von Alba, Vorsitzer des Gerichts der ZwÃlfe.Â' Du weiÃ?t nun dein Schicksal; es bleibt dir wenige Zeit, dich drein zu ergeben, dein Haus zu bestellen und von den Deinigen Abschied zu nehmen. (Silva mit dem Gefolge geht ab. Es bleibt Ferdinand und zwei Fackeln; das Theater ist mÃ?Ã?ig erleuchtet.) Egmont (hat eine Weile in sich versenkt stille gestanden und Silva, ohne sich umzusehn, abgehen lassen. Er glaubt sich allein, und da er die Augen aufhebt, erblickt er Albas Sohn). Du stehst und bleibst? Willst du mein Erstaunen, mein Entsetzen noch durch deine Gegenwart vermehren? Willst du noch etwa die willkommne Botschaft deinem Vater bringen, daÃ? ich unmÃ?nnlich verzweifle? Geh! Sag ihm! Sag ihm, daÃ? er weder mich noch die Welt belÃ?gt. Ihm, dem RuhmsÃ?chtigen, wird man es erst hinter den Schultern leise lispeln, dann laut und lauter sagen, und wenn er einst von diesem Gipfel herabsteigt, werden tausend Stimmen es ihm entgegenrufen! Nicht das Wohl des Staats, nicht die WÃ?rde des KÃnigs, nicht die Ruhe der Provinzen haben ihn hierher gebracht. Um sein selbst willen hat er Krieg geraten, daÃ? der Krieger im Kriege gelte. Er hat diese ungeheure Verwirrung erregt, damit man seiner bedÃ?rfe. Und ich falle, ein Opfer seines niedrigen Hasses, seines kleinlichen Neides. Ja, ich weiÃ? es, und ich darf es sagen; der Sterbende, der tÃdlich Verwundete kann es sagen: mich hat der Eingebildete beneidet; mich wegzutilgen hat er lange gesonnen und gedacht. Schon damals, als wir noch jÃ?nger mit WÃ?rfeln spielten und die Haufen Goldes, einer nach dem andern, von seiner Seite zu mir herÃ?bereilten, da stand er grimmig, log Gelassenheit, und innerlich verzehrte ihn die Ã'rgernis, mehr Ã?ber mein GlÃ?ck als Ã?ber seinen Verlust. Noch erinnere ich mich des funkelnden Blicks, der verrÃ?terischen BlÃ?sse, als wir an einem Ãffentlichen Feste vor vielen tausend Menschen um die Wette schossen. Er forderte mich auf, und beide Nationen standen; die Spanier, die NiederlÃ?nder wetteten und wÃ?nschten. Ich Ã?berwand ihn; seine Kugel irrte, die meine traf; ein lauter Freudenschrei der Meinigen durchbrach die Luft. Nun trifft mich sein GeschoÃ?. Sag ihm, daÃ? ich's weiÃ?, daÃ? ich ihn kenne, daÃ? die Welt jede Siegszeichen verachtet, die ein kleiner Geist erschleichend sich aufrichtet. Und du! wenn einem Sohne mÃglich ist, von der Sitte des Vaters zu weichen, Ã?be beizeiten die Scham, indem du dich fÃ?r den schÃ?mst, den du gerne von ganzem Herzen verehren mÃchtest. Ferdinand. Ich hÃre dich an, ohne dich zu unterbrechen! Deine VorwÃ?rfe lasten wie KeulschlÃ?ge auf einem Helm; ich fÃ?hle die ErschÃ?tterung, aber ich bin bewaffnet. Du triffst mich, du verwundest mich nicht; fÃ?hlbar ist mir allein der Schmerz, der mir den Busen zerreiÃ?t. Wehe mir! Wehe! Zu einem solchen Anblick bin ich aufgewachsen, zu einem solchen Schauspiele bin ich gesendet! Egmont. Du brichst in Klagen aus? Was rÃ?hrt, was bekÃ?mmert dich? Ist es eine spÃ?te Reue, daÃ? du der schÃ?ndlichen VerschwÃrung deinen Dienst geliehen? Du bist so jung und hast ein glÃ?ckliches Ansehn. Du warst so zutraulich, so freundlich gegen mich. Solang ich dich sah, war ich mit deinem Vater versÃhnt. Und ebenso verstellt, verstellter als er, lockst du mich in das Netz. Du bist der Abscheuliche! Wer ihm traut, mag er es auf seine Gefahr tun; aber wer fÃ?rchtete Gefahr, dir zu vertrauen? Geh! Geh! Raube mir nicht die wenigen Augenblicke! Geh, daÃ? ich mich sammle, die Welt und dich zuerst vergesse! - Ferdinand. Was soll ich dir sagen? Ich stehe und sehe dich an, und sehe dich nicht, und fÃ?hle mich nicht. Soll ich mich entschuldigen? Soll ich dir versichern, daÃ? ich erst spÃ?t, erst ganz zuletzt des Vaters Absichten erfuhr, daÃ? ich als ein gezwungenes, ein lebloses Werkzeug seines Willens handelte? Was fruchtet's, welche Meinung du von mir haben magst? Du bist verloren; und ich UnglÃ?cklicher stehe nur da, um dir's zu versichern, um dich zu bejammern. Egmont. Welche sonderbare Stimme, welch ein unerwarteter Trost begegnet mir auf dem Wege zum Grabe? Du, Sohn meines ersten, meines fast einzigen Feindes, du bedauerst mich, du bist nicht unter meinen MÃrdern? Sage, rede! FÃ?r wen soll ich dich halten? Ferdinand. Grausamer Vater! Ja ich erkenne dich in diesem Befehle. Du kanntest mein Herz, meine Gesinnung, die du so oft als Erbteil einer zÃ?rtlichen Mutter schaltest. Mich dir gleich zu bilden, sandtest du mich hierher. Diesen Mann am Rande des gÃ?hnenden Grabes, in der Gewalt eines willkÃ?rlichen Todes zu sehen, zwingst du mich, daÃ? ich den tiefsten Schmerz empfinde, daÃ? ich taub gegen alles Schicksal, daÃ? ich unempfindlich werde, es geschehe mir, was wolle. Egmont. Ich erstaune! Fasse dich! Stehe, rede wie ein Mann. Ferdinand. O daÃ? ich ein Weib wÃ?re! daÃ? man mir sagen kÃnnte: was rÃ?hrt dich? was ficht dich an? Sage mir ein grÃÃ?eres, ein ungeheureres Ã?bel, mache mich zum Zeugen einer schrecklichern Tat; ich will dir danken, ich will sagen: es war nichts. Egmont. Du verlierst dich. Wo bist du? Ferdinand. LaÃ? diese Leidenschaft rasen, laÃ? mich losgebunden klagen! Ich will nicht standhaft scheinen, wenn alles in mir zusammenbricht. Dich soll ich hier sehn? - Dich? - Es ist entsetzlich! Du verstehst mich nicht! Und sollst du mich verstehen? Egmont! Egmont! (Ihm um den Hals fallend.) Egmont. LÃse mir das Geheimnis. Ferdinand. Kein Geheimnis. Egmont. Wie bewegt dich so tief das Schicksal eines fremden Mannes? Ferdinand. Nicht fremd! Du bist mir nicht fremd. Dein Name war's, der mir in meiner ersten Jugend gleich einem Stern des Himmels entgegenleuchtete. Wie oft hab ich nach dir gehorcht, gefragt! Des Kindes Hoffnung ist der JÃ?ngling, des JÃ?nglings der Mann. So bist du vor mir her geschritten; immer vor, und ohne Neid sah ich dich vor, und schritt dir nach, und fort und fort. Nun hofft' ich endlich dich zu sehen, und sah dich, und mein Herz flog dir entgegen. Dich hatt' ich mir bestimmt, und wÃ?hlte dich aufs neue, da ich dich sah. Nun hofft' ich erst, mit dir zu sein, mit dir zu leben, dich zu fassen, dich - Das ist nun alles weggeschnitten, und ich sehe dich hier! Egmont. Mein Freund, wenn es dir wohltun kann, so nimm die Versicherung, daÃ? im ersten Augenblick mein GemÃ?t dir entgegenkam. Und hÃre mich. LaÃ? uns ein ruhiges Wort untereinander wechseln. Sage mir: ist es der strenge, ernste Wille deines Vaters, mich zu tÃten? Ferdinand. Er ist's. Egmont. Dieses Urteil wÃ?re nicht ein leeres Schreckbild mich zu Ã?ngstigen, durch Furcht und Drohung zu strafen: mich zu erniedrigen und dann mit kÃniglicher Gnade mich wieder aufzuheben? Ferdinand. Nein, ach leider nein! Anfangs schmeichelte ich mir selbst mit dieser ausweichenden Hoffnung; und schon da empfand ich Angst und Schmerz, dich in diesem Zustande zu sehen. Nun ist es wirklich, ist gewiÃ?. Nein, ich regiere mich nicht. Wer gibt mir eine HÃ?lfe, wer einen Rat, dem Unvermeidlichen zu entgehen? Egmont. So hÃre mich. Wenn deine Seele so gewaltsam dringt, mich zu retten, wenn du die Ã?bermacht verabscheust, die mich gefesselt hÃ?lt, so rette mich! Die Augenblicke sind kostbar. Du bist des Allgewaltigen Sohn und selbst gewaltig - LaÃ? uns entfliehen! Ich kenne die Wege; die Mittel kÃnnen dir nicht unbekannt sein. Nur diese Mauern, nur wenige Meilen entfernen mich von meinen Freunden. LÃse diese Bande, bringe mich zu ihnen und sei unser. GewiÃ?, der KÃnig dankt dir dereinst meine Rettung. Jetzt ist er Ã?berrascht, und vielleicht ist ihm alles unbekannt. Dein Vater wagt; und die MajestÃ?t muÃ? das Geschehene billigen, wenn sie sich auch davor entsetzet. Du denkst? O denke mir den Weg der Freiheit aus! Sprich, und nÃ?hre die Hoffnung der lebendigen Seele. Ferdinand. Schweig! o schweige! Du vermehrst mit jedem Worte meine Verzweiflung. Hier ist kein Ausweg, kein Rat, keine Flucht. - Das quÃ?lt mich, das greift und faÃ?t mir wie mit Klauen die Brust. Ich habe selbst das Netz zusammengezogen; ich kenne die strengen festen Knoten; ich weiÃ?, wie jeder KÃ?hnheit, jeder List die Wege verrennt sind; ich fÃ?hle mich mit dir und mit allen andern gefesselt. WÃ?rde ich klagen, hÃ?tte ich nicht alles versucht? Zu seinen FÃ?Ã?en habe ich gelegen, geredet und gebeten. Er schickte mich hierher, um alles, was von Lebenslust und Freude mit mir lebt, in diesem Augenblicke zu zerstÃren. Egmont. Und keine Rettung? Ferdinand. Keine! Egmont (mit dem FuÃ?e stampfend). Keine Rettung! - - SÃ?Ã?es Leben! schÃne freundliche Gewohnheit des Daseins und Wirkens! von dir soll ich scheiden! So gelassen scheiden! Nicht im Tumulte der Schlacht, unter dem GerÃ?usch der Waffen, in der Zerstreuung des GetÃ?mmels gibst du mir ein flÃ?chtiges Lebewohl; du nimmst keinen eiligen Abschied, verkÃ?rzest nicht den Augenblick der Trennung. Ich soll deine Hand fassen, dir noch einmal in die Augen sehn, deine SchÃne, deinen Wert recht lebhaft fÃ?hlen und dann mich entschlossen losreiÃ?en und sagen: Fahre hin! Ferdinand Und ich soll daneben stehn, zusehn, dich nicht halten, nicht hindern kÃnnen! O welche Stimme reichte zur Klage! Welches Herz flÃsse nicht aus seinen Banden vor diesem Jammer? Egmont. Fasse dich! Ferdinand. Du kannst dich fassen, du kannst entsagen, den schweren Schritt an der Hand der Notwendigkeit heldenmÃ?Ã?ig gehn. Was kann ich? Was soll ich? Du Ã?berwindest dich selbst und uns; du Ã?berstehst; ich Ã?berlebe dich und mich selbst. Bei der Freude des Mahls hab ich mein Licht, im GetÃ?mmel der Schlacht meine Fahne verloren. Schal, verworren, trÃ?b scheint mir die Zukunft. Egmont. Junger Freund, den ich durch ein sonderbares Schicksal zugleich gewinne und verliere, der fÃ?r mich die Todesschmerzen empfindet, fÃ?r mich leidet, sieh mich in diesen Augenblicken an; du verlierst mich nicht. War dir mein Leben ein Spiegel, in welchem du dich gerne betrachtetest: so sei es auch mein Tod. Die Menschen sind nicht nur zusammen, wenn sie beisammen sind; auch der Entfernte, der Abgeschiedene lebt uns. Ich lebe dir, und habe mir genug gelebt. Eines jeden Tages hab ich mich gefreut; an jedem Tage mit rascher Wirkung meine Pflicht getan, wie mein Gewissen mir sie zeigte. Nun endigt sich das Leben, wie es sich frÃ?her, frÃ?her, schon auf dem Sande von Gravelingen hÃ?tte endigen kÃnnen. Ich hÃre auf zu leben; aber ich habe gelebt. So leb auch du, mein Freund, gern und mit Lust, und scheue den Tod nicht. Ferdinand. Du hÃ?ttest dich fÃ?r uns erhalten kÃnnen, erhalten sollen. Du hast dich selber getÃtet. Oft hÃrt' ich, wenn kluge MÃ?nner Ã?ber dich sprachen, feindselige, wohlwollende, sie stritten lang Ã?ber deinen Wert; doch endlich vereinigten sie sich, keiner wagt' es zu leugnen, jeder gestand: ja, er wandelt einen gefÃ?hrlichen Weg. Wie oft wÃ?nscht' ich, dich warnen zu kÃnnen! Hattest du denn keine Freunde? Egmont. Ich war gewarnt. Ferdinand. Und wie ich punktweise alle diese Beschuldigungen wieder in der Anklage fand, und deine Antworten! Gut genug, dich zu entschuldigen; nicht triftig genug, dich von der Schuld zu befreien - Egmont. Dies sei beiseite gelegt. Es glaubt der Mensch sein Leben zu leiten, sich selbst zu fÃ?hren; und sein Innerstes wird unwiderstehlich nach seinem Schicksale gezogen. LaÃ? uns darÃ?ber nicht sinnen; dieser Gedanken entschlag ich mich leicht - schwerer der Sorge fÃ?r dieses Land! doch auch dafÃ?r wird gesorgt sein. Kann mein Blut fÃ?r viele flieÃ?en, meinem Volke Friede bringen, so flieÃ?t es willig. Leider wird's nicht so werden. Doch es ziemt dem Menschen, nicht mehr zu grÃ?beln, wo er nicht mehr wirken soll. Kannst du die verderbende Gewalt deines Vaters aufhalten, lenken, so tu's. Wer wird das kÃnnen? - Leb wohl! Ferdinand. Ich kann nicht gehn. Egmont. LaÃ? meine Leute dir aufs beste empfohlen sein! Ich habe gute Menschen zu Dienern; daÃ? sie nicht zerstreut, nicht unglÃ?cklich werden! Wie steht es um Richard, meinen Schreiber? Ferdinand. Er ist dir vorangegangen. Sie haben ihn als Mitschuldigen des Hochverrats enthauptet. Egmont. Arme Seele! - Noch eins, und dann leb wohl, ich kann nicht mehr. Was auch den Geist gewaltsam beschÃ?ftigt, fordert die Natur zuletzt doch unwiderstehlich ihre Rechte; und wie ein Kind, umwunden von der Schlange, des erquickenden Schlafs genieÃ?t, so legt der MÃ?de sich noch einmal vor der Pforte des Todes nieder und ruht tief aus, als ob er einen weiten Weg zu wandern hÃ?tte. - Noch eins - Ich kenne ein MÃ?dchen; du wirst sie nicht verachten, weil sie mein war. Nun ich sie dir empfehle, sterb ich ruhig. Du bist ein edler Mann; ein Weib, das den findet, ist geborgen. Lebt mein alter Adolf? ist er frei? Ferdinand. Der muntre Greis, der Euch zu Pferde immer begleitete? Egmont. Derselbe. Ferdinand. Er lebt, er ist frei. Egmont. Er weiÃ? ihre Wohnung; laÃ? dich von ihm fÃ?hren und lohn ihm bis an sein Ende, daÃ? er dir den Weg zu diesem Kleinode zeigt. - Leb wohl! Ferdinand. Ich gehe nicht. Egmont (ihn nach der TÃ?r drÃ?ngend). Leb wohl! Ferdinand. O laÃ? mich noch! Egmont. Freund, keinen Abschied. (Er begleitet Ferdinanden bis an die TÃ?r und reiÃ?t sich dort von ihm los. Ferdinand, betÃ?ubt, entfernt sich eilend.) Egmont (allein). Feindseliger Mann! Du glaubtest nicht, mir diese Wohltat durch deinen Sohn zu erzeigen. Durch ihn bin ich der Sorgen los und der Schmerzen, der Furcht und jedes Ã?ngstlichen GefÃ?hls. Sanft und dringend fordert die Natur ihren letzten Zoll. Es ist vorbei, es ist beschlossen! und was die letzte Nacht mich ungewiÃ? auf meinem Lager wachend hielt, das schlÃ?fert nun mit unbezwinglicher GewiÃ?heit meine Sinnen ein. (Er setzt sich aufs Ruhebett. Musik.) SÃ?Ã?er Schlaf! Du kommst wie ein reines GlÃ?ck ungebeten, unerfleht am willigsten. Du lÃsest die Knoten der strengen Gedanken, vermischest alle Bilder der Freude und des Schmerzes; ungehindert flieÃ?t der Kreis innerer Harmonien, und eingehÃ?llt in gefÃ?lligen Wahnsinn, versinken wir und hÃren auf zu sein. (Er entschlÃ?ft; die Musik begleitet seinen Schlummer. Hinter seinem Lager scheint sich die Mauer zu erÃffnen, eine glÃ?nzende Erscheinung zeigt sich. Die Freiheit in himmlischem Gewande, von einer Klarheit umflossen, ruht auf einer Wolke. Sie hat die ZÃ?ge von KlÃ?rchen und neigt sich gegen den schlafenden Helden. Sie drÃ?ckt eine bedauernde Empfindung aus, sie scheint ihn zu beklagen. Bald faÃ?t sie sich, und mit aufmunternder GebÃ?rde zeigt sie ihm das BÃ?ndel Pfeile, dann den Stab mit dem Hute. Sie heiÃ?t ihn froh sein, und indem sie ihm andeutet, daÃ? sein Tod den Provinzen die Freiheit verschaffen werde, erkennt sie ihn als Sieger und reicht ihm einen Lorbeerkranz, Wie sie sich mit dem Kranze dem Haupte nahet, macht Egmont eine Bewegung, wie einer, der sich im Schlafe regt, dergestalt, daÃ? er mit dem Gesicht aufwÃ?rts gegen sie liegt. Sie hÃ?lt den Kranz Ã?ber seinem Haupte schwebend: man hÃrt ganz von weitem eine kriegerische Musik von Trommeln und Pfeifen: bei dem leisesten Laut derselben verschwindet die Erscheinung. Der Schall wird stÃ?rker. Egmont erwacht; das GefÃ?ngnis wird vom Morgen mÃ?Ã?ig erhellt. Seine erste Bewegung ist, nach dem Haupte zu greifen: er steht auf und sieht sich um, indem er die Hand auf dem Haupte behÃ?lt.) Verschwunden ist der Kranz! Du schÃnes Bild, das Licht des Tages hat dich verscheuchet! Ja sie waren's, sie waren vereint, die beiden sÃ?Ã?esten Freuden meines Herzens. Die gÃttliche Freiheit, von meiner Geliebten borgte sie die Gestalt; das reizende MÃ?dchen kleidete sich in der Freundin himmlisches Gewand. In einem ernsten Augenblick erscheinen sie vereinigt, ernster als lieblich. Mit blutbefleckten Sohlen trat sie vor mir auf, die wehenden Falten des Saumes mit Blut befleckt. Es war mein Blut und vieler Edeln Blut. Nein, es ward nicht umsonst vergossen. Schreitet durch! Braves Volk! Die SiegesgÃttin fÃ?hrt dich an! Und wie das Meer durch eure DÃ?mme bricht, so brecht, so reiÃ?t den Wall der Tyrannei zusammen und schwemmt ersÃ?ufend sie von ihrem Grunde, den sie sich anmaÃ?t, weg! (Trommeln nÃ?her.) Horch! Horch! Wie oft rief mich dieser Schall zum freien Schritt nach dem Felde des Streits und des Siegs! Wie munter traten die GefÃ?hrten auf der gefÃ?hrlichen, rÃ?hmlichen Bahn! Auch ich schreite einem ehrenvollen Tode aus diesem Kerker entgegen; ich sterbe fÃ?r die Freiheit, fÃ?r die ich lebte und focht und der ich mich jetzt leidend opfre. (Der Hintergrund wird mit einer Reihe spanischer Soldaten besetzt, welche Hellebarden tragen.) Ja, fÃ?hrt sie nur zusammen! SchlieÃ?t eure Reihen, ihr schreckt mich nicht. Ich bin gewohnt, vor Speeren gegen Speere zu stehn und, rings umgeben von dem drohenden Tod, das mutige Leben nur doppelt rasch zu fÃ?hlen. (Trommeln.) Dich schlieÃ?t der Feind von allen Seiten ein! Es blinken Schwerter; Freunde, hÃhern Mut! Im RÃ?cken habt ihr Eltern, Weiber, Kinder! (Auf die Wache zeigend.) Und diese treibt ein hohles Wort des Herrschers, nicht ihr GemÃ?t. SchÃ?tzt eure GÃ?ter! Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich euch ein Beispiel gebe. (Trommeln. Wie er auf die Wache los- und auf die HintertÃ?r zugeht, fÃ?llt der Vorhang: die Musik fÃ?llt ein und schlieÃ?t mit einer Siegessymphonie das StÃ?ck.)